Die Zeit in Siem Reap beginnt entspannt und nicht direkt mit Erkundungstouren in Angkor Wat. Einen Tag Entspannung wollte ich mir ohnehin gönnen. Etwas überraschenderweise habe ich ein Jobangebot von zu Hause bekommen. Dafür brauche ich aber eine komplette Bewerbung. Also nutze ich den Tag und formuliere ein Anschreiben. Das Ganze aber in aller Ruhe neben dem Pool, der Bauch wohl gefüllt von einer riesigen Portion Curry. Am nächsten Tag gab es noch ein Telefonat mit einem Ansprechpartner. Dafür gönne ich mir sogar einen Friseurbesuch, vor allem um meinen Bart nicht so verwahrlost aussehen zu lassen. Sie machen gute Arbeit, das Telefonat verläuft gut und mit Hilfe meiner Eltern wird der am Handy getippte Text in ein ansehnliches Anschreiben inklusive der restlichen Unterlagen verwandelt. Außerdem buche ich meinen Heimflug und kaufe ein Ticket für Angkor Wat die nächsten Tage. Besonderes Highlight der Tage ist dabei nicht nur das kleine Restaurant mit der sehr netten älteren Dame, sondern vor allem die französische Bäckerei um die Ecke. Sie haben eine riesige Auswahl backfrischer Köstlichkeiten wie: Tartes, Pizzen, Croissants oder Pains au Chocolate, aber auch eine Kühltheke wie zu Hause mit frischem Käse in verschiedensten Formen. Besonders angenehm, ab 6 Uhr abends kosten alle Backwaren als Takeaway nur noch die Hälfte. So probiere ich mich einfach durch die gesamte Auswahl, ohne das komplette übrige Reisebudget auszugeben.
Der erste Tag in Angkor Wat beginnt früh, ich habe mir extra am Vorabend aus der Bäckerei zwei Riesenstücke Pizza mitgenommen. Der Plan ist, den Sonnenaufgang über dem Haupttempel, der im Jahr 1113 errichtet wurde, anzusehen. Ich bin fast etwas zu spät. Den Wechsel von ganz dunkel zu erstem Licht sehe ich noch von meinem Rad auf der langen Zufahrtstraße. Vor dem großen Wassergraben, der die Außenmauern des Tempelareals umgibt, stelle ich mein Rad ab. Die Türme zeichnen sich bereits deutlich gegen das orangene Licht des Morgens ab. Eine Ticket-Kontrolle später stehe ich auf der Brücke zum Eingangstor. Innerhalb der Mauern sind bereits unglaublich viele Leute, ich bin also definitv zu spät. Im Großen und Ganzen hatte ich mir den Sonnenaufgang magischer vorgestellt. Später spreche ich mit ein paar professionelleren Fotografen, die ihre gesamte Ausrüstung am strategisch besten Punkt aufgebaut haben. Anscheinend scheinen die ganzen letzten Morgenden nicht so ganz besonders gewesen zu sein. Ich bin trotzdem zufrieden, vor vier Jahren war es unglaublich diesig, heute ist der Himmel aber doch ziemlich klar. Die ganzen Menschenmassen machen sich alle auf den Weg in den Tempel. Ich genieße es, alleine zu sein, suche mir eine Mauer und esse meine Pizza, während es immer leerer wird. Wie es innerhalb des Tempels aussieht, mag ich mir nicht vorstellen. Als Nächstes mache ich am Ufer der zwei kleinen Seen ein paar Fotos von mir mit meiner Kamera und Stativ. Gar nicht so einfach alles. Aber mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden und inzwischen sind auch fast alle Besucher weitergezogen zu den nächsten Tempeln im riesigen Angkor Gebiet.
Relativ ungestört betrete ich den imposanten Tempel. Die Faszination, die ich schon in der Vergangenheit gefühlt habe, ist wieder komplett da und ich verliere mich in den Galerien, Pools und Treppen im Inneren. Der Ausblick aus den höheren Ebenen, über den den Elementen ausgesetzen Tempel, den umgebenden dichten Jungle und die Vielzahl Mauern hat etwas Magisches. Permanent gehen hier Restaurierungsarbeiten vor sich, teilweise von den Experten, die auch am Kölner Dom arbeiten, da die Bausubstanz ähnlich ist. Irgendwann habe ich genug gesehen und es geht weiter. Angkor Wat ist bei weitem nicht der einzige Tempel im Angkor Gebiet. Auf dem 400 km² großen UNESCO-Weltkulturerbe befinden sich so viele Tempel, dass ich im Internet keine Aussage über die genaue Anzahl finden konnte. Viele Tempel sind stark verfallen und versteckt im Jungle. Einige wie Angkor Wat sind aber international bekannt. Beispielsweise taucht der Ta Phrom-Tempel im Lara Croft-Film Tomb Raider auf. Diesen hebe ich mir aber für den nächsten Tag auf.
Als nächstes besuche ich den Bayon-Tempel, auch genannt Tempel der Gesichter. Er hat auf seinen Steintürmen um die 200 Gesichter. Von den Ausmaßen nicht so beeindruckend wie Angkor Wat. Dafür sind die zahlreichen Gesichter und die Reliefs, welche die gesamten Außenmauern des Tempels verzieren, ebenso eindrucksvoll. Inzwischen ist es richtig heiß und ich nehme mir Zeit für eine Menge Pausen, brauche so fast zwei Stunden für meine Erkundungen. Einen der üblichen Bananen-Shakes gibt es an einem kleinen Stand. Der Mixer wird betrieben von einem Moped.
Die großen Tempel habe ich jetzt angesehen, jedenfalls für heute. Aber inmitten des Waldes gibt es immer wieder kleinere Ruinen. Hier gibt es keine Touristen mehr und es fühlt sich an, als würde ich jederzeit einen alten Schatz finden. Ich finde keinen Schatz, dafür treffe ich zwischendurch eine ältere Dame. Wir reden kurz, sie ist auch von den entlegenen Tempeln fasziniert. Ich wundere mich etwas, wie sie hier hingekommen ist.
Den Abend lasse ich entspannt mit Curry ausklingen. Außerdem gibt es im Hostel einen Quizzabend. Anders als in Hanoi ist dieser weniger alkoholfokussiert, was ich sehr angenehm finde. Hier treffe ich auch zufällig ein paar Leute wieder, die mit mir auf der Kanutour in Laos waren.
Am nächsten Morgen breche ich nicht wieder direkt auf, sondern kümmere mich erstmal um meine Weiterfahrt. Das Ganze ist nicht so einfach, langsam geht mir die Zeit aus. Da ich noch genug Tage zum Tauchen auf Koh Tao haben will und mein Plan, ein sehr großes Stück mit der Fähre zu überspringen, nicht aufgeht, muss ich umdisponieren. Ich entscheide mich mit dem Bus nach Bangkok zu fahren. So einfach wie gedacht, ist das aber gar nicht. Keines der Busunternehmen will mein Rad mitnehmen. Telefonate und E-Mails führen alle ins Nichts. Irgendwann habe ich es etwas leid und ziehe lieber erstmal los. Von der französischen Bäckerei gibt es ein Baguette für später. Heute schaue ich mir den bekannten Lara Croft-Tempel, der etwas außerhalb des eigentlichen Areals liegt, an. Davor liegen aber noch weitere Tempel auf dem Weg. Diese sind in keinem so guten Zustand, haben dadurch aber ganz viel Charakter. Die runden Türme werden teilweise nur noch mit Metallbändern in Form, Wände mit groben Stützen aufrecht gehalten. Ich treffe noch zufällig ein deutsches Paar auf einem riesigen Motorrad. Sie haben noch große Pläne und viel vor sich. Ich berichte etwas von meiner Zeit in China. Danach sind sie nicht mehr so ganz überzeugt von ihrem ursprünglichen Plan, mal schauen, wie sie noch weiterkommen. Ihr Blog ist wirklich empfehlenswert: www.oyotr.de
Ich genieße mein Baguette mit Brie-Käse, bevor ich von meinem schönen Platz vom Lärm einer Thaifamilie verjagt werde. Die ungestörte Ruhe mancher Tempel werde ich auch im Lara Croft-Tempel nicht finden. Es wirkt wie eine einzige Fotokulisse für die verschiedenen Reisegruppen. Ansich ist die Anlage mit Mauern, die von riesigen Bäumen überwachsen oder auch durchwachsen werden, sehr interessant und fotogen, aber anstehen, um ein Foto zu machen, ist nicht so mein Ding.
Dafür bekomme ich eine E-Mail und mir wird zugesichert, dass ich mein Rad mit in einen Bus nehmen könnte. Dafür müsste ich aber ins Büro kommen. Mein Plan, den Sonnenuntergang von einem Tempelhügel anzusehen, wird verworfen und ich mache mich lieber schnell auf den Weg zum Büro, um ein Ticket zu buchen. Allerdings lasse ich es mir nicht nehmen, noch einmal Angkor Wat im Schein der untergehenden Sonne anzusehen. Wirklich ein faszinierender und wunderbarer Ort.
Im Büro des Busunternehmens erwartet mich bei Weitem nicht das, was ich erwartet habe. Nur durch beharrliche Diskussionen und das Weitergereichtwerden zu verschiedenen höheren Ebenen und Vorgesetzten kann ich am Ende einen Deal herausschlagen. Ich kaufe lediglich eine Fahrkarte bis zur Grenze, danach bin ich auf mich alleine gestellt und überquere sie mit meinem Rad. Sollte ich es pünktlich vor der Abfahrt des Busses hinüber schaffen, könnte ich vor Ort ein neues Ticket kaufen und nach Bangkok fahren. Ein Handel mit dem ich leben kann,  hauptsache ich komme schnell nach Bangkok. Das Rad soll ich einwickeln, also kaufe ich noch Müllbeutel und Klebeband, um den Wünschen gerecht zu werden. So geht meine Zeit in Kambodscha plötzlich doch ganz schnell zu Ende, und das obwohl ich noch einen Tag auf meinem Besuchsticket übrig hatte.
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