Ich bin eine halbe Stunde vor dem Wecker wach. Wieder hat mich eine Mücke terrorisiert und trotz der zwei Fenster ist mir warm. Eine App, mit der man angeblich alle Klimaanlagen steuern kann, bringt keinen Erfolg. Ich entscheide mich, nicht weiter zu schlafen, sondern das Ganze für einen frühen Start zu nutzen. Schnell packe ich meine Sachen ein. Später realisiere ich, dass ich meinen heißgeliebten Mehrfachstecker vergessen haben muss. Meine Kabel habe ich seltsamerweise beide eingepackt.
Ein weiteres Problem ergibt sich, als ich abfahrbereit im Hof stehe. Das Tor ist noch abgeschlossen und niemand zu sehen. Kurz darauf kommt ein junges Paar, das auch herauswill. Zusammen finden wir den Besitzer und er schließt uns das Tor auf. Ich begebe mich zuerst auf die Suche nach etwas zum Essen. Es dauert etwas, aber dann gibt es mal wieder den üblichen Reis mit Ei. Zwei Teller füllen den Magen ordentlich und ich bin bereit für einen langen Tag. Bis nach Siem Reap sind es 160 Kilometer. Sollte ich die ganze Distanz heute schaffen, hätte ich den ganzen nächsten Tag frei. Das wäre von Vorteil, ich muss ein paar Sachen regeln, ein Bewerbungsanschreiben formulieren und mich um meine Flugtickets kümmern. Außerdem mag ich die Herausforderung. Damit ist klar, dass ich nicht früher irgendwo unterkommen will.
Um nicht wieder so einzubrechen wie gestern, entscheide ich mich dafür, früher die erste Pause zu machen und später nochmal für einen Teller Reis anzuhalten. Die großen Vorteilspakete mit Keksen aus Laos habe ich hier bisher leider nicht gefunden. So sitze ich nach fast 60 Kilometern in einer dunklen Garage und esse ein großes doppeltes Spiegelei und Reis. Leicht hügelig geht es danach weiter, aber das Tempo ist trotz hoher Temperaturen gar nicht so schlecht. 
Bei Kilometer 95 will ich mich langsam nach einem Kakao mit crushed Eis umsehen. Stattdessen treffe ich auf zwei Radfahrer, natürlich ebenfalls aus Deutschland. Sie haben etwas Zeit in den Bergen verbracht. Der eine fährt weiter in Richtung Vietnam und ich habe eine Begleitung nach Siem Reap, der andere muss dort das geliehene Rad zurückgeben. Wir fahren ein gutes Stück und besprechen dann unsere Weiterfahrt. Plötzlich kommen von hinten noch zwei weitere Radfahrer, ebenfalls Deutsche aufgerollt. Sie haben die gleiche Route aus Deutschland hinter sich wie ich. Auch durch China sind sie gefahren. Ihr Visa mussten sie aber sehr viel umständlicher beantragen. Zuerst haben sie ein Visum in Deutschland beantragt, damit ihre Fingerabdrücke im System sind. Sobald sie in Zentralasien waren, haben sie ihre Pässe per Expresslieferung nach Deutschland geschickt und ein zweites Visum beantragt. Als sie in Georgien waren, war ihr erstes Visum noch gültig und sie konnten nicht so wie ich einfach an ein neues kommen. Ich erzähle weder von meiner unkomplizierten Beantragung und erst recht nicht den Preis.
Der erste Deutsche verabschiedet sich, weil er anders zurückfahren will, aber meine neue Gruppe und ich fahren auf einer kleinen ruhigen Seitenstraße weiter. Unsere Umgebung ändert sich, und plötzlich sind wir umgeben von Feldern und kleinen Hütten, es ist wirklich schön. Zusammen stoppen wir noch für eine schnelle Mahlzeit. Ich habe es die ganze Zeit nicht geschafft, eine Limonade aus gepresstem Zuckerrohr am Straßenrand zu trinken, wie es sie hier überall gibt. Die beiden empfehlen sie mir aber sehr überzeugt und sie behalten recht. Das hätte ich schon früher machen sollen. Die erwartete Quälerei am Ende der 160 km bleibt aus. In Gesellschaft ist alles etwas leichter. In Siem Reap trennen sich dann unsere Wege. Sie biegen zu einem etwas abgelegenen Hotel ab, so sie ihre Räder auch etwas länger stehen lassen können. Ich war erst noch unentschlossen, wo ich für die Tage bleibe, entscheide mich dann aber trotz höherem Preis für das Hostel, in dem ich auch 2019 schon war.
Endlich bin ich zurück in bekannten Gefilden. Ein tolles Gefühl, die Quälereien haben sich gelohnt. Lange habe ich mir vorgestellt, wie es sein wird, hier anzukommen, am Ende meiner ersten längeren Radtour. Es ist eine Mischung aus Ergriffenheit, Stolz, Müdigkeit und Vorfreude auf den Pool des Hostels. Direkt im Dorm treffe ich ein paar nette Leute, verabrede mich zum Abendessen, bevor ich die wohlverdiente Abkühlung im Pool antrete.
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