Nach den Tagen in der Wüste haben wir die Klimaanlage im Zimmer sehr genossen. So sehr, dass wir ganz vergessen hatten, in den Pool zu gehen. Etwas, was ich mir auf dem Rad nicht hätte vorstellen können. Jack und Basil sind unterwegs, um verschiedene Missionen zu erledigen, Jack braucht mehr Datenvolumen, Basil probiert, an einer Tankstelle seinen Reifen zu reparieren. Ich mache in der Zeit lieber ein Nickerchen. Der Rest des Abends vergeht ohne größere Vorkommnisse, wir gehen doch noch in den Pool, Basil springt von einer Mauer daneben hinein und bekommt direkt Ärger vom Personal.
Das Frühstück gibt es heute erst ab 7:30. Ich stelle keinen Wecker, der Rest vertraut darauf, dass ich es tue, fragt aber auch nicht nach. Natürlich verschlafen wir und ich hole mir nach dem frühen Aufstehen, ohne große Diskussionen, eine halbe Stunde extra Schlaf. Dementsprechend spät kommen wir los, trotzdem sind die Temperaturen um halb 10 mehr als in Ordnung. Das soll glücklicherweise den Rest des Tages auch so bleiben. Wir kurven auf seltsamen Wegen durch das Dorf, danach geht es Offroad in Richtung Berge. Diesmal fährt es sich aber deutlich besser, statt verblockter Singletrails und großer Steine haben wir angenehme Schotterstraßen, dementsprechend gut kommen wir voran. Wir treffen ein Schweizer Paar in einem Offroad Truck, sie scheinen mit allen Wassern gewaschen und sind ein deutliches Gegenbeispiel zu den deutschen Vanreisenden. Lachend erzählen sie uns, wie sie gestern, als die Straße aufhörte, durch ein Flussbett gefahren sind und für eine Strecke von 8 km den gesamten Tag gebraucht haben. Wie unterschiedlich doch die Perspektiven sein können.
Das kühlere Wetter tut mir gut, vielleicht gewöhne ich mich aber auch langsam an die Anstrengung. Als die Anstiege beginnen, fühle ich mich selbst bei Steigungen von über 14 % nicht mehr, als würde ich vor Anstrengung halb vom Rad fallen. Dafür ist Basil heute verdächtig still. Irgendwann halten wir, um Wasser in unsere Trinkflaschen umzufüllen. Plötzlich klagt er über Übelkeit, Jack hält sein Rad fest, und kurz darauf übergibt sich Basil am Straßenrand. Zum zweiten Mal in meinem Leben kann ich jetzt schneller als Basil sein, beim letzten Mal hat er sich den Magen mit unterkochten Linsen verdorben. Er ist blass, aber schwingt sich dennoch wieder aufs Rad und fährt weiter. Es ist glücklicherweise nicht mehr weit bis zum nächsten Dorf, in dem wir einkaufen können.
Dort angekommen, sieht die Situation aber nicht so vielversprechend aus. Der potenzielle Minimarkt ist verschlossen und auf der Straße ist niemand. Wir sprechen ein Kind an, es versteht uns nicht und bejaht jede Frage nach der Richtung zum Markt. Ein älterer Herr am Fenster zeigt uns die falsche Richtung. Glücklicherweise treffen wir doch auf jemanden, der ein Kind instruiert, wo wir hin müssen. Wir fahren ein Stück weiter, schon den ganzen Tag fahren wir entlang eines kleinen Bachs, der die Berge hinabläuft und das Tal begrünt, plötzlich sind wir inmitten von Palmen, ein sehr ungewohntes Bild nach unseren Tagen in der Wüste. Dann sollen wir links abbiegen und den Abhang hoch schieben. Aus den Palmen taucht eine brandneue Moschee auf, sie sieht etwas unwirklich aus, im Vergleich zu den eher heruntergekommenen oder noch im Bau befindlichen anderen Häusern in der Umgebung. Wir schieben dran vorbei und kommen in eine Gasse, die auch aus dem Mittelalter stammen könnte. Dicht nebeneinander stehen die Lehmhäuser. Unser junger Reiseführer zeigt auf eine Tür und spricht einen anderen Jungen an, der danach im Haus verschwindet. Ein Mann erscheint und öffnet den Laden. Es ist ein kleiner Raum, vollgestellt mit Waren und zwei komplett beklebten Kühlschränken. In der Mitte von allem thront aber eine ziemlich große Kaffeemaschine. Die Jungs bekommen direkt ebenso große Augen. Zu unserer Verwunderung gibt es jedoch nur winzige 330 ml Wasser-flaschen.
 Wir probieren auszurechnen, wie viel wir wie davon brauchen würden, um unsere Flaschen aufzufüllen, und ob der Laden überhaupt genug hätte, damit wir uns einen Vorrat zum Campen mitnehmen können. Aber erstmal machen wir eine großzügige Pause. Basil ist nicht gut zurecht, ich lasse ihm die einzige richtige Cola. Der Ersatz, den ich kaufen, schmeckt leider gar nicht. Aber das Omelett, das Jack und ich kurz darauf auf dem Tisch haben, dafür umso mehr. Ich fühle mich auch leicht seltsam, schiebe es aber auf den Hunger. Irgendwann fängt es an zu Donnern, und wir machen uns Gedanken, wie wir heute weiter fahren sollen. Wenn es jetzt anfängt zu Gewittern, sollten wir hier in den Bergen besser nicht ungeschützt zelten, gleichzeitig sagt der Wetterbericht eigentlich kein schlechtes Wetter voraus. Wir entscheiden uns, zu fragen, ob wir im Dorf unter einem Dach unsere Zelte aufbauen können. Ich tippe eine Nachricht in den Google Übersetzer, der Ladenbesitzer spricht kurz mit seiner Frau und kurz darauf sitzen wir im kleinen Caféraum oberhalb des Ladens. Genau zum richtigen Zeitpunkt, das Gewitter zieht über uns und es kommt einiges an Regen herunter. Wir sind mit unserer Entscheidung sehr zufrieden.
Der Regen hält jedoch gar nicht lange an, trotzdem entscheiden wir uns, nicht mehr weiter zu fahren. Ein Mann kommt vorbei, er spricht gutes Englisch und lädt uns zu sich nach Hause ein. Wir schieben unsere Räder also wieder hinab auf die Straße und machen uns auf den Weg zu ihm. Die kleine Straße zwischen den Palmen wirkt plötzlich richtig paradiesisch. Es ist ziemlich surreal, nach unseren Tagen in der Wüste. Bis zum Haus ist es nicht weit, wir schieben unsere Räder einen kurzen, steinigen Pfad hoch und stehen vor einem Rohbau. Das Haus der Familie wird gerade noch gebaut und besteht bisher nur aus Ziegelsteinen und vereinzelten Metallstangen. Basil, als Bauingenieur, ist fasziniert, er sagt, die verwendeten Metallstangen würde es so in der Schweiz gar nicht geben. 8 mm wären viel zu dünn und eher wie Spaghetti. Das Haus scheint bisher trotzdem noch zu stehen. Anscheinend wohnt hier nur die Familie von Mohammed, also sein Vater und seine Mutter. Das Haus ist aber unglaublich groß. Wir beziehen unser Lager auf der Dachterrasse, der Ausblick auf das Tal mit den ganzen Palmen ist wunderbar. Wir sind uns alle einig, Momente wie dieser sind der Grund, warum man sich die ganzen Strapazen auf dem Fahrrad antut. Mohammed bringt uns frisches Brot und Schüsseln mit allerlei Köstlichkeiten: Honig, Butter, Oliven, Olivenöl und Datteln. So genießen wir den Anblick, wie langsam die Sonne über dem Tal untergeht.
Das Haus ist immer noch eine Baustelle und so werden zwischendurch weitere Zementsäcke und Metallstangen angeliefert. Wir bieten unsere Hilfe an, das Angebot wird aber abgelehnt. Kurz darauf fällt eine halbe Armee hungriger Dorfbewohner auf der Dachterrasse ein, sie haben gerade geholfen, den LKW zu entladen, und werden jetzt noch versorgt. Inzwischen ist es fast neun Uhr, und wir schlafen bereits fast ein. Basil liegt schon im Haus und schläft. Anscheinend bekommen wir aber noch Abendessen, wann genau, wissen wir aber nicht. Jack und ich rollen schon mal unsere Matratzen aus. Gegen 10 Uhr wird dann das Essen aufgetischt. Ich fühle mich inzwischen gar nicht mehr so fit und esse nur ein paar Anstandshappen. Der Familienvater hält uns äußerst überzeugend an, weiter und immer mehr zu essen. Unter seinem strengen Blick esse ich noch ein Stück Brot. Während ich es kaue, wird es gefühlt immer mehr in meinem Mund, ich bekomme es kaum runter. Wasser zum Spülen habe ich keines mehr. Langsam wird mir klar, etwas stimmt gar nicht mit meinem Magen. Ein Stück Melone zwinge ich mir noch rein. Gleichzeitig werde ich getadelt dafür, dass ich mit meiner linken Hand esse. Noch bevor das Abendprogramm vorbei ist, muss ich mich auf meine Matratze legen. Ein Kampf mit meinem Magen beginnt, am Ende verliere ich und muss mich auch übergeben. Die Familie hat ein Plumpsklo, um das Loch ist eine 1x1 Meter Keramik Plattform. Ich erspare mir hier weitere Details, aber nachdem ich fertig war, musste ich sowohl den Boden um das Plumpsklo als auch meine Füße und Sandalen waschen. Mir geht es etwas besser, aber der Körper ist immer noch in Aufruhr. Zurück auf unserem Matratzenlager werde ich von einem großartigen Sternenhimmel begrüßt, wirklich genießen kann ich den Anblick aber nicht. Dafür beginnt für mich eine äußerst unruhige Nacht.


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