Mir ging es am Vorabend nicht ganz so gut, mein Hals hatte ziemlich Probleme gemacht. Dementsprechend nervös war ich, wie es mir heute gehen würde. Im Hotel wollte ich wirklich nicht bleiben, es war teuer und in der Umgebung quasi nichts, außer der großen Hauptstraße. Zum Glück ist der Hals nach dem Aufstehen aber in Ordnung. Ich merke, dass ich nicht 100% fit bin, und nehme mir vor, es extra langsam angehen zu lassen. In etwas über 100 Kilometern ist eine Stadt mit Hostel am Strand, dahin sollte ich es schaffen. Die Nacht kostet weniger und es gibt mehr Möglichkeiten, den Tag zu verbringen.
Zum Frühstück gibt es diesmal zum Glück keine Instant Nudeln. Ich finde ein Restaurant mit richtigen Nudeln. Ich probiere eine Nudelsuppe ohne Fleisch zu bestellen und bekomme prompt eine Absage. Anscheinend geht es nicht, einfach das Fleisch wegzulassen. Dafür zeigt er auf etwas in der Auslage. Ich frage nach, ob es kein Fleisch ist und bekomme ein Nicken. Am Ende ist es natürlich Fleisch, ich bin aber nicht zu Diskussionen aufgelegt, es würde auf Grund der Sprachbarriere eh nichts bringen.
Ich steige wieder auf mein Rad. Heute kommt der Wind wieder von hinten. Kurz meldet sich mein Magen. Ich habe Sorgen, jetzt könnte das nächste Problem auftauchen, aber es ist zum Glück ein falscher Alarm. Viele Pausen mit verschiedenen Snacks und Baguettes später komme ich in der Stadt an. Länger habe ich nach einem richtigen Ort für ein Mittagessen gesucht, aber im Gegensatz zu China ist das hier überhaupt nicht so einfach. Inzwischen hat man einen gewissen Instinkt, welche Restaurants gut sind und um welche man lieber einen Bogen macht. Gefühlt besteht Vietnam nur aus zweiteren. Es sind so gut wie immer kleine dunkle Garagen, die auch noch ziemlich dreckig aussehen. Die weit verbreiteten Nudelläden aus China, in denen es schnell und günstig gutes Essen gibt, sind leider nicht mehr anzutreffen.
So esse ich erst in der Stadt etwas, in Palmenblättern eingepackte Reiskuchen, oder jedenfalls etwas in der Art. Ich kann nicht so ganz definieren, was ich da genau vor mir habe. Nur eins ist klar, die vegetarische Bestellung hat wie immer nicht geklappt. Ich bin aber früh am Hostel und kann das Zimmer beziehen. Ich habe den Sechser-Dorm komplett für mich alleine. Generell wirkt es nicht so, als wären hier überhaupt Gäste. Aber das ist in Ordnung. Ich will ohnehin etwas herunterkommen und mich ausruhen, was in Hanoi nicht so geklappt hat.
Später gehe ich auf die Suche nach etwas zum Abendessen. Alles in der näheren Umgebung hat geschlossen und die interessanten Restaurants sind alle 15-20 Minuten pro Strecke zu Fuß entfernt. Dafür komme ich an einem Sea Food Restaurant vorbei und werde prompt an den Tisch gewunken und eingeladen. Ein Mann hat fünf Jahre in Deutschland gelebt und spricht etwas Deutsch, ein paar andere sprechen Englisch. Ich bekomme alles an Essen vorgesetzt, was übrig war: leckere Shrimps, Calamaris, Meeresfrüchtesalat und Fisch. Alles Lebensmittel, die ich auf dieser Reise lange bis noch gar nicht hatte. Ich freue mich über die Gesellschaft und Gastfreundschaft und sie sich darüber, mich einladen zu können. Außerdem werde ich zum Zuhause eines Mannes mitgenommen, er will, dass ich seinen Vater kennenlerne. Der alte Herr ist 97 Jahre alt und heute ist ein großer Tag für ihn. Er ist seit 75 Jahren bei der Regierung und hat dafür eine Auszeichnung erhalten. Stolz sagen sie mir, dass er sein ganzes Leben Kommunist ist. Auch für mich ist das eine besondere Situation.
Zurück am Tisch treffe ich zwei Brüder, sie sind ziemlich angetan von meinem Bart. Der eine erzählt, dass sein Bruder seinen seit 5 Jahren wachsen lässt und eine Menge Geld für Behandlungen und Medizin bezahlt, um den Bartwuchs zu verbessern. Bei beiden sind nicht viele Haare im Gesicht und ich glaube, es wäre besser, wenn sie es sein lassen würden. Bei mir wäre es auch besser, den Bart zu entfernen, aber sie sind anderer Meinung. Eine weitere interessante Meinung haben sie zum Ukraine Konflikt. Beide sprechen Russisch und einer ist Dozent an der Universität für russische Sprache. Ihre angeblichen Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen an beide Seiten empfinde ich als fragwürdig. Trotzdem ist der Abend gelungen.
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