Die Nacht war irgendwie etwas unruhig. Ich weiß nicht, ob es am Wind oder an meinem unruhigen Magen lag. Für Letzteren nehme ich extra noch zwei Kohletabletten ein. Danach stehe ich direkt noch auf, binde mein Handtuch fest und hole meine stinkenden Radklamotten ins Zelt. Gestern haben wir noch Witze über wegfliegende Zelte gemacht und wie lustig die Videos davon sind. Kurz darauf läuft Jack gerade zur richtigen Zeit an seinem Zelt vorbei, um es festzuhalten. Die Rettungsaktion im Dunkeln unterhalb der Straße wäre sehr interessant geworden. 
Dafür ist der Morgen richtig gut. In den letzten Tagen ist mir klar geworden, nur Kekse am Morgen sind meiner Laune nicht so zuträglich. Gestern haben wir ordentlich eingekauft und ich mache mir aus meinem warmen Schlafsack heraus erst einen Tee und danach eine großzügige Portion Porridge mit Erdnussbutter, die ich vor den Sahara Tagen gekauft hatte. Dazu gibt es noch zwei Äpfel, ich muss sogar etwas kämpfen, um alles aufzuessen. Aber meine Laune ist richtig gut. Ich schließe mich Basils Beispiel an und probiere, nach einem Ruf der Natur, mein Toilettenpapier zu verbrennen, so kann ich auch den teilweise etwas riechenden Inhalt meiner Toilettenpapier Plastiktüte los werden. Bisher gab es nie Mülleimer, wo ich die Reste hätte los werden können, und ich musste alles immer mitnehmen.Leider brennt es nicht so gut und ich verbringe einige Zeit damit, ein ausreichendes Feuer zu starten. Irgendwann ist zum Glück alles Toilettenpapier Geschichte, dafür steht der Rest neben seinen gepackten Rädern und wartet auf mich. Alles wie in den guten, alten Zeiten. Natürlich werden heute wieder Liegestützen gemacht, Jack ist inzwischen bei fünf Sätzen mit 35 Liegestützen, eine beeindruckende Zahl. Ich mache heute sogar auch zwei Sätze mit, jedoch deutlich weniger. Die Energie spare ich mir lieber für den Tag. Das ist eine gute Idee, denn wir starten direkt mit dem Rest des Anstiegs, den wir gestern nicht mehr geschafft hatten. Die ersten anderthalb Stunden fahren wir daher bergauf. Es gibt noch eine kleine Abfahrt, am Ende kommen wir auf einen Schnitt von mir knapp über 8 km/h. Unser Freund, das Flussbett, ist diesmal nicht vertreten, trotzdem besteht der Untergrund zumeist aus faustgroßen, losen Steinen und allerlei anderem Geröll, die unser Vorankommen deutlich einschränken. Heute macht mir das aber alles nichts aus und ich fahre ganz entspannt den anderen in meinem Tempo hinterher. Zwischendurch tauschen Jack und ich einmal die Räder. Das Fahrgefühl ist ein ganz anderes, besonders das fehlende Gewicht ist spürbar. Irgendwie fühlt sich mein Rad aber dann doch eher wie zu Hause an. Die alte Kolonialstraße ist wirklich ein Highlight, wir sind alle sehr beeindruckt darüber, wie sie sich endlos lang durch die Berge schlängelt. Der Aufwand, um sie zu bauen, muss immens gewesen sein, Stein für Stein händisch platziert. Heute ist sie nur noch mit dem Fahrrad passierbar. Die weggeschwemmten Stücke verhindern die Durchfahrt mit dem Auto und auch die üblichen Motorradfahrer, die man hier überall sieht, würden dort wohl nicht weiter kommen. Irgendwie schon ein cooles Gefühl. Bald beginnt jedoch die Abfahrt, und damit das Ende unserer Zeit auf der Kolonialstraße. Am Anfang noch sehr steinig und verblockt, wird sie am Ende richtig schön flowig. Ohne groß zu bremsen, sirren unsere Räder über den perfekt schottrigen Untergrund, eine Wohltat. Der folgende Asphalt lässt uns ungeahnte Geschwindigkeiten erreichen, in den inneren Offroad Stücken hat sich alles über 25 km/h bereits sehr schnell angefühlt. Gegen Viertel vor drei kommen wir an unserem Mittagsstopp an. Mir geht es immer noch blendend. Die Häuser an der Straße sind etwas seltsam, gefühlt sind alle Restaurants, gleichzeitig wirkt es etwas heruntergekommen. Wir fallen wie Kinder im Spielzeugladen in einen Minimarkt ein. Ein Junge übersetzt unsere Wünsche, der Besitzer findet die Situation lustig. Ob er unseren wilden Einkauf innehalten, unterhaltsam findet, oder sich über den guten Umsatz freut, wahrscheinlich beides. Gut versorgt für den Abend und den kommenden Morgen, fallen wir im nächsten Restaurant ein. Eine große Essenbestellung folgt und kurz drauf drücken wir dem wirklich netten Besitzer diverse Stecker, Kabel und elektrische Geräte zum Aufladen in die Hand. Gestärkt und erholt machen wir uns auf den weiteren Weg. Durch unseren eher kurzen Tag gestern, wollen wir heute etwas Kilometer aufholen. Wir haben eine Unterkunft in ca 90 Kilometern gefunden diese ist unser Ziel für den nächsten Abend. Inzwischen sind es sieben Tage ohne richtige Dusche und auch unsere Radklamotten stehen inzwischen von selbst. Basil wurde bereits von Freunden gefragt, ob seine abgerissen Anziehsachen nur noch von Dreck zusammengehalten werden. Es läuft weiterhin sehr gut auf dem Asphalt und wir bekommen sogar noch ein Stück Bonusasphalt, das auf Komoot gar nicht mehr als Straße eingezeichnet war. Eigentlich erwarten wir jetzt das nächste Stück komplette Angelegenheit und Isolation. Wir setzen uns das Ziel heute noch 300-400 Höhenmeter zu erledigen und kurbeln über die diesmal wirklich gut fahrbare Schotterstraße los. Die erwartete Abgeschiedenheit bleibt aber aus. Überall stehen noch Häuser und noch mehr Leute sind hier unterwegs. Vielleicht ist sonntags Ausgehtag, aber in solch einer Häufung haben wir das bisher noch nicht erlebt. Die Suche nach einem Schlafplatz wird sich wohl eher schwierig gestalten, dafür können wir in einem kleinen Laden entlang der Straße noch eine Cola und viel besser Melonen ergattern. Damit ist auch das morgige Frühstück mehr als gesichert. Die Freude hält jedoch nur kurz an. Auf einer mini Abfahrt verabschiedet sich die Melone, natürlich vor einer sehr großen marokkanischen Zuschauergruppe und zerspringt in drei Teile, eine tolle Unterhaltung für die Locals. Die sterblichen Überreste der Melone werden in eine Tüte gepackt und weiter geht's, wir haben immernoch ein Interesse daran, sie morgen in unserem Frühstück zu verwerten.

Besonders anstregend sind aber die Kinder hier. Erst Grüßen sie nett, danach rennen sie noch ziemlich lange hinter uns her und probieren die üblichen Süßigkeiten, Stifte oder Geld abzugreifen. Dass Jack eine Rolle Pringles draußen am Rad hat heizt die Situation nur noch mehr an. Die Kinder sind ziemlich ausdauernd, sowohl in ihrer Fragerei nach Geschenken als auch im Laufen, sie begleiten uns ein gutes Stück. Zum Glück wird es irgendwann flacher und wir können entkommen. Direkt an der nächsten Kuppe wartet die nächste Gruppe Kinder, dieses Spiel wird sich jetzt noch so einige Male wiederholen. Wir sind das gar nicht mehr gewohnt, zu abgelegen waren unsere letzten Tage. Während wir uns noch fragen, wo wir wohl wir heute wohl unser Zelt unentdeckt aufstellen können, kommen wir noch an einem kleinen Dorfladen vorbei. Es gibt noch eine Motivationscola und noch viel besser, wir kaufen zwei Honigmelonen. Eine packt Basil in seine bereits eh schon aus allen Nähten platzende Satteltasche, die andere spanne ich auf meinen kleinen Front Gepäckträger. So richtig stabil ist die Konstruktion nicht und es kommt wie es kommen muss, in einem kleinen Bergabstück verabschiedet sie sich und fliegt vor den Augen der Dorfjugend in hohem Bogen auf den Boden. Wir sammeln die Stücke ein und packen sie wieder ein. Diesmal kommt sie in einen Rucksack. Für Unterhaltung auf allen Seiten ist gesorgt. Unsere Suche nach einem Zeltplatz gestaltet sich als schwierig, es sind einfach überall Menschen und auch auf Google Maps sehen wir viele Häuser. Ein Platz sieht vielversprechend aus, es ist aber ein Friedhof. Also fahren wir weiter. Die gut fahrbare Schotterstraße ist inzwischen wieder dem Flussbett gewichen. Das Tal ist zu schmal für eine Straße neben dem Flussbett, an den Seiten werden die Häuser in die Höhe gebaut. Hier steht alles von alten Lehmhütten bis zu frischen Betonsteinhäusern in allen Bauphasen. Viel bekommen wir davon aber nicht mehr mit, es wird schnell dunkel und bald rumpeln wir im Schein unserer Dynamo-Lampen durch das Flussbett. Die Navigation ist schwierig, wir bewegen uns am unteren Ende der Geschwindigkeit ab der die Lampen funktionieren, aber schneller können wir auf dem Untergrund nicht fahren. Immer wieder flackern die Lampen oder gehen aus, wir sind im Blindflug. Bald ist es stockdunkel, wir sind aber weit genug von den letzten Häusern entfernt, dass wir uns einen Platz für die Zelte suchen können. Wir kramen unsere Stirnlampen heraus, Basil und Jack zischen los und kommen bald mehr oder weniger zufrieden zurück. Im Vergleich zu unserem Platz gestern haben wir es heute wohl nicht so gut getroffen, wir können aber auch eh nicht genug sehen um es zu beurteilen. Am Ende haben wir drei flache Plätze für unsere Zelte und das ist alles was zählt.
Heute gibt es keine Linsen, ich habe mich gewehrt. Dafür gibt es heute auch nicht drei Gänge, sondern nur Chips und danach Nudeln mit Thunfisch. Mir geht es richtig gut, ich hätte auch noch eine Stunde weiter fahren können. Das Frühstück zeigt auch jetzt noch seine Wirkung. Zufrieden rolle ich mich bei etwas Wind in meinem Schlafsack.

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