Eigentlich haben wir zwei Tage in Stepanzminda zum Wandern und Entspannen. Am ersten Tag schlafen wir aus und wandern danach zu einer Kirche auf einem Berg. Ich bin überrascht, eigentlich rechnete ich mit einer Ruine, die Kirche ist aber immernoch in Betrieb und Teil eines orthodoxen Klosters. Interessanterweise wirkt es von der Kleidung her eher muslimisch angehaucht. Wir hatten schon vorher einen Mann gesehen in schwarzen Gewand und langem Bart, ich hätte nicht gedacht, dass er Christ ist. Auch die Damen tragen Kopftücher. Wir bekommen einen kleinen Ausschnitt eines Gottesdienstes mit, es wirkt sehr festlich. Die Touristen (welcher ich aber natürlich auch bin) stören das Bild jedoch etwas. Wir gehen wieder den Berg herunter, kaufen ein und genießen den Luxus einer richtigen Küche. Wir essen so spät, dass wir diesen Tag auch gar nicht mehr zum essen heraus gehen.
Am nächsten Tag habe ich eine große Mission. Über eine große internationale Radreise WhatsApp Gruppe habe ich jemanden gefunden, der mir einen großen Stapel Ersatzteile und neue Ausrüstung nach Georgien mit bringt. Auch dabei ist eine Kredit-Karte, die vorher nicht mehr pünktlich bei mir angekommen ist. Eigentlich wollte ich nur Infos zum Versand von Paketen nach Georgien, das ganze war aber so kompliziert dass ich es schon wieder abgeschrieben hatte. Dann meldete sich aber Konrad, bei mir der in der gleichen Situation war, jetzt aber Besuch von seinen Eltern bekommt. Der Zeitpunkt war perfekt und so machte ich mich auf den Weg nach Tblisi um mich mit ihnen zu treffen. Dafür nehme ich einen Mini Bus nach altem sowjetischen Prinzip, jede Stunde fährt ein Bus ab. Der Bus fährt die selbe Strecke wie wir mit dem Rad. Das bedeutet schlechte Straßen viel Verkehr und gefährliche Überholmanöver über insgesamt dreieinhalb Stunden. Eine weitere halbe Stunde im Linienbus und ein strammen Fußmarsch später sitze ich nervös im Restaurant und hoffe dass alles geklappt hat. Am Ende kommen sie, wir plaudern über das Leben als Radreisende und essen gutes georgisches Essen. Den Heimweg trete ich mit zwei dicken Mountainbike Reifen, neuem Kocher plus Kochtopf, Ersatzteilen für meine Ortliebtaschen und anderen Teilen an. Im Bus muss ich erstmal noch alles herausholen und etwas herumspielen, Zeit habe ich genug. Statt um 6 fährt der Bus erst um 7 ab und ich bin spät zurück in Stepanzminda. Eher schlecht, denn am nächsten Tag sollte eine große Herausforderung auf mich warten.
Die erste Herausforderung war aber das neue Equipment irgendwie unter zu bringen. Die zwei Mäntel mit fast einem Kilo pro Stück wollte ich eigentlich noch bei einem Radladen hinterlegen bis wir in einer Woche in Tbilisi sind. Dieser hatte dann aber zu. Also habe ich für die nächsten Tage nicht nur ein Platz sondern auch ein neues Gewichtsproblem. Irgendwie passte dann am Ende aber doch alles und auch die benötigten Vorräte für drei Tage, da wir nochmal tief in die Berge fahren finden überall am Rad verteilt ihren Platz.
Der Tag sollte mit nur leicht über 50 km eigentlich kurz werden. Aber die 1600 Höhenmeter machten nur einen Strich durch die Rechnung. Erst fuhren wir noch ganz entspannt über Asphalt und Schotterstraßen, diese auch teilweise steil bergauf, irgendwann hörten die befestigen Wege aber auf. Davor mussten wir uns an einem Militär Stützpunkt noch eine Sondererlaubnis bzw. Registrierung für das Grenzgebiet zu Russland, welches wir nun befahren abholen. Dort waren aber alle sehr freundlich und der Prozess schnell abgeschlossen.
Nach dem Stützpunkt würd es abenteuerlich. Erst noch erkennbar von Autos Verfahren führt der Weg durch einen Bach. Dieser ist breit und tief genug, dass wir unsere Schuhe ausziehen müssen. Auf der anderen Seite packen wir uns wieder ein. 50 Meter weiter ist der nächste Übergang. Der örtliche Schäfer schaut und belustigt zu, läuft dann in seinen Gummistiefeln einfach an uns vorbei. Dabei werden wir permanent von zwei Schäferhunden angebellt. Jack probiert durch den zweiten Bach zu fahren, die Hunde mögen das gar nicht und springen ihn halb an. Er muss im Bach anhalten, der Versuch die Schuhe trocken zu halten misslingt.
Danach ist nur noch ein Wanderpfad vorhanden. Es ist großartig, perfektes Mountainbike Terrain, der Singletrail geht leicht bergauf und hört gar nicht mehr auf. Wir jauchzen vor Freude, es ist genial. Genau das haben wir uns alle gewünscht. Die Freude hält aber nicht ewig an, die Steigung wird zu stark. Auf den letzten vier Kilometern bis zum Gipfel haben wir durchschnittlich 20 Prozent. Das ganze bei am Ende über 3000 Metern Höhe, sorgt dafür dass wir unsere schweren Räder immer nur ein paar Schritte schieben und dann wieder Pause machen müssen. Eine Stelle ist so steil, das wir immer zu zweit ein Rad hochwuchten müssen. Der Rest ist die Höhe besser gewohnt, für mich ist es nach den Alpen auf der Reise das erste Mal überhaupt richtig in den hohen Bergen. Ich leide richtig. Von allen bescheuerten Sachen, die ich auf dem Rad bisher gemacht habe, ist der Tag heute ganz vorne dabei. Die wenigen Wanderer, die wir zwischendurch treffen sind auch ziemlich verwundert über uns und unserer Räder.
Zwischendrin geht es mir so schlecht, dass Basil zurück kommt und mein Rad schiebt. Ich laufe hinterher und habe selbst damit Probleme. Der Gipfel ist nach stundenlangem Schieben eine Erlösung. Das ganze ist stark charakterbilden. Ich weiß nicht was jemals wieder härter sein wird. Andererseits ist zentral Asien nicht mehr weit entfernt, für nächsten Herausforderungen warten nur.
Bergab können wir natürlich auch nicht fahren, gefühlt ist diese Seite aber noch steiler und unwegsamer. Wir schieben auch bergab, rutschen mehr als das wir laufen. Es wird langsam spät. An einem kleinen Bach füllen wir unsere Flaschen auf. Kurz darauf entscheiden wir, den Tag nach 30 km zu beenden und einfach an der Seite des Berges zu übernachten. Die Zelte sind schnell aufgebaut und ich koche mir mit Spaß in meiner neuen Küche eine riesen Portion Nudeln, die weder anbrennt noch schleimig wird. Außerdem kommt auch meine Wärme Thermobekleidung das erste Mal seit Deutschland wieder zum Einsatz.

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