​​​​​​​Voller positiver Erinnerungen und Stolz verbringen wir die Zeit in Sarytasch. Über dem Ganzen schwebt aber die ganze Zeit eine gewisse Schwermütigkeit. Die finale Abfahrt wird mehrmals verschoben, alle sind froh noch etwas Zeit miteinander verbingen zu können. Vor lauter Entspannung vergessen wir unsere stinkende, seit fast zwei Wochen nicht mehr vernünftig gewaschenen Radsachen zu waschen. Am ausgewählten Waschtag gibt es einen Bazar im Nachbardorf. Wir wittern unsere Chance doch noch etwas aus Yak Wolle zu ergattern. Also steigen wir am Morgen zusammen mit zwei anderen Gästen in ein viel zu kleines Taxi in VW Polo Größe. Auf die Rückbank passen wir auch zu viert. Der Markt ist relativ klein, ein Yak Souvenir gibt es natürlich nicht. 
Dafür bietet sich eine neue Möglichkeit, die anderen zwei Gäste wollen hier in Sary Mogul bleiben. Ihr Gasthaus ist gleichzeitig ein Reisebüro. In direkter Nähe zu der Stadt ist der Peak Lenin, ein über 7000 Meter hoher Berg. Das Basecamp ist ein beliebtes Ausflugsziel und Ausgangspunkt für viele Wanderungen. Uns wird eine Fahrt dorthin im Offroad Taxi für 7€ angeboten. Wir überlegen kurz, Jack hat nur seine Birkenstocks an, aber natürlich fahren wir mit. 
Es lohnt sich. Die Fahrt dauert eine Stunde, die Ausblicke sind phänomenal. Als erstes halten wir an einem kleinen See an, hinter ihm bauen sich majestätisch die Berge des Pamir Gebirges auf. Ein kurzer Schock, genau jetzt ist meine SD Karte in der Kamera voll. Ich habe aber zum Glück noch eine andere. Etwas weiter entfernt sehen wir noch ein paar Yaks. Irgendjemand bezeichnet Yaks als Kühe mit Rock. Der Vergleich ist sehr passend. Die Wanderung ist nicht sonderlich anstregend, wir laufen nur am Berghang entlang. Die Gruppe ist gut drauf, nach ein Paar Bildern bin ich ein Stück dahinter und werde etwas von den Emotionen übermannt. Die Vorstellung auf all das in der nächsten Zukunft verzichten zu müssen ist ziemlich hart. Eine Reise ohne Jack oder den Rest, sei es Basil oder Annick ist kaum vorstellbar und wird eine echte Herausforderung. 
Am Ende sitzen wir aber doch alle wieder zusammen, machen witzen und essen Kekse. Auf der Rückfahrt schlafe ich im Auto ein, der Rest ist ziemlich überrascht wie ich das hinbekommen habe. Um zurück nach Sarytasch zu kommen, fahren wir per Anhalter, jeder gibt umgerechnet einen Euro, das reicht der Familie und sie nehmen uns mit. Da der Waschtag verpasst wurde, nehmen wir uns noch einen Tag Pause. Außerdem hat es am Abend wieder geschneit.
Am nächsten Tag fällt mir auf, dass die Grenze nach China am Wochenende geschlossen ist. Das bedeutet für mich eine extra Nacht im Gasthaus, während der Rest am nächsten Tag losfährt. Ich hatte auf eine letzte gemeinsame Abfahrt gehofft, der Wunsch geht nicht in Erfüllung. Der restliche Tag vergeht ereignislos, jeder muss noch viel Nachschauen und auch ich habe eine Menge Recherchearbeit bezüglich meiner Route in China vor mir.
Der Morgen der Abfahrt ist hart für mich. Als die Räder endlich bepackt sind, gibt es noch ein Gruppenbild. Dann beginnt der Abschied, Jack und ich haben beide etwas Tränen in den Augen. Es wird nicht viel gesagt, ich bin auch nicht dazu in der Lage. Gegenseitige Wertschätzungsbekundungen fallen und eien kurze Reflektion der gesamten Zeit zusammen. Am Abend und Morgen davor haben Pläne, sich in Vietnam wieder zu treffen und den Rest Südostasiens zusammen zu fahren immer konkreter. Ich hoffe es funktioniert. Dann fahren die beiden los. Ich stehe noch länger auf der Straße und schauen ihnen hinterher. Die Stille um mich herum fühlt sich seltsam an.
Ich stürze mich in weitere China Vorbereitungen. Hotelapps, Karten und VPN's müssen organisiert werden. Der Tag vergeht schnell, zwischendurch probiere ich noch Benzin für meinen Kocher zu organisieren, an der Tankstelle gibt es aber nichts, seltsam. Jack und Annick schicken noch zwei andere Radfahrer zu mir ins Gasthaus. Ein Engländer hat die selbe Route wie ich und will auch nach China. Am nächsten Tag fahren wir zusammen weiter.
Schnell realisiere ich beim Zusammenfahren aber, dass James der Brite kein würdiger Ersatz für Jack sein wird. Er redet ununterbrochen, so viel dass es selbst einem doch sehr toleranten Menschen wie mir zu viel wird. Es gibt kein Entkommen, selbst als ich mich an den Anstiegen absichtlich zurückfallen lasse, entgehe ich nichts. Die Gesprächsthemen umspannen dabei Trainingsmethoden auf dem Rad, Taktiken aus dem Radsport die man ja auch im Triathlon anweden kann und Technik am Fahrrad. Zu allem gibt es eine Meinung, teilweise sehr abstrus. Es wird geredet um des Redenswillen. Sätze angefangen und dann erst nachgedacht was eigentlich gesagt werden wollte.
Ein Stück Schotterstraße, dass über 100 Höhenmeter einspart und dann zurück auf die Straße führt, sorgt für leichte Unstimmigkeiten und eine längere Überlegungspause im Wind. Sein Rad ist nicht optimal dafür ausgelegt, mein Vorschlag sich einfach an der nächsten Kreuzung wieder zu treffen wird abgelehnt. Am Ende fahren wir den Schotterweg und es ist das beste Stück des Tages. Mit Jack hatte es kein einziges Wort bedurft.
Danach beginnt eine wahnsinnige Abfahrt, die ganzen Höhenmeter des Tages werden wieder vernichtet. Der Wind schiebt von hinten und ich realisiere teilweise gar nicht wie schnell ich bin. Bald kommen wir an einen kirgisischen Checkpoint, an dem wir unsere Pässe und China Visa vorzeigen müssen. Zuerst entdecken wir aber die Ausläufer einer massiven LKW Schlange. Wir sind noch über 9 Kilometer von unserem Tagesziel entfernt, welches nochmal 5 Kilometer vor der Grenze liegt. Wir fahren bergauf an der Schlange vorbei und auch bergab geht das Spiel weiter. 
In Nura unserem Ziel soll es ein Guesthouse geben. Wir fragen eine Familie, aber helfen kann uns niemand. Wir bekommen nur den Rat weiter bis zur Grenze zu fahren, dort soll es eine Unterkunft geben. Das Gebiet vor der Grenze ist eine Mischung aus Müllhalde, Truckstop und Containerdepot. Überall stehen LKWs. Container sind wild verteilt, teilweise umgefallen und in seltsamen Winkeln. Wäre ich nicht so beunruhigt über unserem Platz für die Nacht und die technischen Probleme, die meine Kamera gerade heute zeigt, könnte man hier coole Fotos machen. Ein paar Kinder umschwärmen uns. Sie begrabbeln das Rad wollen erst Schokolade dann Geld. Trotzdem helfen sie uns und wir finden doch noch ein Gasthaus. Die Kommunikation ist holprig, die Frau spricht kein Englisch, ihre Tochter am Telefon auch kaum, aber am Ende einigen wir uns auf einen Raum für 5€. Ich nehme mein Rad mit ins Zimmer, ansonsten hätte ich hier keine Ruhe.
Es wirkt als würden wir im Schlafzimmer der Familie schlafen, am Wandteppich ist mit Klebeband der kirgisische Armeekalender befestigt. Komplettiert wird das ganze mit einem "Stay smokin' all day not everyday" Kissenbezug. Wir fragen nach Essen, wir können uns etwas aussuchen. Auf unseren Wunsch gibt es gekochte Eier und Brot. Als ich an den Tisch komme, sind die Eier eiskalt. Noch nie in meinem Leben habe ich Eier mit so viel Wasser innerhalb der Schale gehabt. Eine interessante Erfahrung. Der Tag war zum Glück nicht besonders hart und so ist das wenige Abendessen kein Weltuntergang. Im Markt nebenan (ein umgebauter Waggon) hole ich trotzdem noch ein paar Snacks. Erst nachdem ich die Tüte Chips gegessen habe fällt mir auf, dass sie etwas stümperhaft mit Klebeband unten zugeklebt war. Ich schreibe noch lange Zeit an dem Blog, danach mache ich mich auf die Suche nach der Toilette. Sie ist nicht einfach zu finden.

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