​​​​​​​In unserem Zimmer war es durch die drei Personen ziemlich warm, das änderte sich aber schnell sobald Annick die Tür aufmachte. Sie war wie immer vor allen wach und schon unterwegs. Mit dabei hat sie schlechte Nachrichten. Draußen ist es nicht nur super kalt, sondern auch sehr bewölkt. Als ich aus dem Fenster schaue, sehe ich dass es auf den Bergen über uns sogar schneit. Kein gutes Zeichen, da wir in den nächsten Tagen erst über einen 4200 Meter Pass müssen und danach noch sehr lange auf der Hochebene des Pamir Highways unterwegs sein werden. Die Hochebene ist dabei, nur von einer Senke unterbrochen, fast permanent über 3900 Metern. Außerdem müssen weitere Pässe überwunden werden, die Region hat deshalb den Namen: Dach der Welt.
Wir frühstücken, dabei diskutieren wir unsere Optionen. Empfang haben wir im Haus nicht, wirklich fundiert ist die Unterhaltung daher nicht. Wir bestellen mehrmals warmen Tee nach, es ist einfach schon im Haus kalt. Das eine zerbrochene Fenster hilft dabei auch nicht wirklich. Irgendwann raffen wir uns auf, verlassen das Haus und durchwühlen geschützt vom Wind hinter einer Mauer diverse Wetterberichte. Es soll ganz leicht regnen bzw schneien, die Uhrzeit ist aber eigentlich schon vorbei. In den nächsten Tagen wird es aber immer kälter. Wir entscheiden uns dafür einfach zu fahren. Da die Regensituation etwas unklar ist, probiere ich nochmal zwei Löcher in unterschiedlichen Taschen zu flicken. Ich finde heraus, dass der tadjikische Superkleber für umgerechnet 6 Cent mit der Außenseite der Ortlieb Taschen reagiert, heiß wird und zischend Blasen wirft. Am Ende ist es mir auch egal, solange der Fahrradflicken, der nicht anders halten wollte auf der Außenseite bleibt. Der Rest geht auf die Suche nach einem Supermarkt, ich räume nach der Flickaktion zum zweiten mal in zwei Tagen meine komplett leere Kochpacktasche ein. Die Brotsuche der anderen bleibt ohne Erfolg. Immerhin bin ich fertig mit packen als der Rest wieder kommt. Wir stehen vor dem Haus und bekommen ein paar ganz leichte Tropfen ab. Die Diskussionen starten erneut. Die Besitzerin des Hostels und einer der Guides, der mit einer Reisegruppe dort war, sagen uns dass der Tag ungewöhnlich kalt und es eigentlich noch nicht die Saison für Schnee ist. Pünktlich klart es in unserer Fahrtrichtung dann doch noch auf, Annick besorgt beim Homestay gegenüber doch noch Brot und so kann es losgehen.
Die Straße ist wieder keine Straße, von Asphalt fehlt jede Spur. Dafür geht es über sandige und steinige Spitzkehren steilf bergauf. Die ganzen Schichten an Kleidung die ich anhabe wird wieder umsortiert und ausgezogen, es ist einfach zu warm, außerdem kommt die Sonne heraus. Zwischendurch schiebe ich mein Rad lieber, den Anstieg komplett zu fahren würde mich zu viel Energie kosten. Zum Glück ist der Anfang der schlimmste Teil, danach wird es besser. Annick hat zu kämpfen, ich schiebe es auf ihr Trekkingrad, das einfach nicht für solche Strecken ausgelegt ist. Irgendwann treffen wir uns nach einem meiner Fotostopps wieder. Ihr geht es gar nicht gut, anscheinend hat sie etwas vom Abendessen nicht vertragen. Der Magen spielt verrückt, so lange es absolut keinen Sinn weiter zu fahren. Sie gibt und das Brot und rollt wieder den Berg herunter. In den nächsten Tagen wird sie probieren ein Taxi zu organisieren um uns an einem späteren Zeitpunkt wieder zu treffen.
Bis ich zu Jack aufgeschlossen habe dauert es. Er ist auch etwas geschockt über die Nachricht, stimmt aber zu. Hinter uns brauen auch gerade wieder dunkle Wolken mit Schnee zusammen und im Wind ist es bitter kalt. Bald habe ich wieder alle meine Schichten an, richtig warm ist es aber trotz Anstieg nicht. Wir fahren teilweise frierend weiter. Jack hatte am Morgen noch gesagt, dass er seine kurzen Hosen ganz am Boden der Gepäcktasche verstaut hat. Als es so warm war, wollte ich ihn noch fragen ob das nicht ein Fehler war, jetzt ist klar: Nein ist es nicht. Unsere Rettung ist aber eine Berghütte gebaut als Schutzraum. Dort sind drei tadjikische Männer die anscheinend von dem Dorf bereits bis hier hin gelaufen sind. Sie sehen etwas abgerissen aus, wir fragen uns wie lange der Weg wohl gedauert haben muss. Aber es gibt einen Ofen und er ist auch noch an. In der Hütte ist es ziemlich verraucht, uns ist das egal immerhin ist es ziemlich warm und ohne Wind, also perfekt für unsere Mittagspause, die wie immer aus Brot und Honig besteht. Wir wärmen uns auf und erholen uns. Die Hütte ist wirklich eine Rettung. Als wir nach der Pause herausgehen, erwartet uns die nächste positive Überraschung, die Wolken sind abgezogen und geben die Blick auf imposante schneebedeckte Berggipfel frei. Die Sonne scheint auch und es ist direkt wieder wärmer. Unsere Laune steigt noch mehr und so machen wir uns auf den Weg zum Campspot.
Unterwegs gibt es wieder ein Wechselbad der Gefühle, die Sonne verschwindet wieder hinter Wolken und wir fahren genau in diese hinein. Der Schnee scheint näher zukommen, es ist aber noch zu früh und ungeschützt um anzuhalten. Wir hoffen, dass der Rückenwind die Wolken wegpustet und wir so entspannt Zelten können. Kurz vor unserem ausgewählten Spot, finden wir ein paar Ruinen. Eine scheint doch noch vom Schäfer bewohnt zu sein. Jack beschwert sich über den seltsamen Geruch, steigt vom Rad und tritt fast auf die komplett intakte vordere Hälfte einer Ziege. Die hintere Hälfte ist gar nicht mehr gut in Schuss, es müssen sich einige Tiere dran vergangen haben. Die umgebenden Ruinen wurdem vom Schäfer als Ställe benutzt, auf den Böden möchten wir unsere Zelte nicht aufbauen. Bis zum eigentlichen Platz sind es aber auch nur noch zweieinhalb Kilometer. Diese sind schnell erradelt und vor uns erstreckt sich eine kleine grüne Oase voller Büsche und Bäume, die perfekten Schutz vor dem Wind bieten. Leider sieht man am Müll in der Umgebung, dass viele Radfahrer und andere Reisende den Ort genauso gut finden wie wir. Trotzdem bauen wir unser Zekt gut versteckt auf und sind glücklich über die letzten Sonnenstrahlen.
Langsam wird es dunkel und wir kochen unsere Nudeln. Meine erste Gaskartusche aus Aktau ist leer, gleichzeitig komme ich zu der sehr unbefriedigenden Erkenntnis, dass mein neuer Campingkocher nicht so funktioniert wie er sollte. Irgendwas scheint kaputt zu sein, es fließt nicht genug Gas. Es ist nicht der richtige Ort und die richtige Zeit um solch ein Problem zu haben, zum Glück kann ich auf Jacks Kocher zurück greifen. Während das Wasser aufkocht, machen wir Kniebeugen und Hampelmänner, es ist wirklich kalt. Durch die Höhe kommen wir aber nur außer Atem, wirklich warm wird es nicht. Irgendwann kann ich auch endlich essen, die Soße mache ich extra scharf, für Wärme von innen. Das Spülen im Gebirgsbach ist sehr unangenehm an den Händen, ich probiere den Wasserkontakt so weit es geht zu minimieren. Jack ist erfreut, heute haben wir einen ersten richtigen Check wie gut unser Equipment in der Kälte funktioniert, in meinem eigentlich zu kalten Schlafsack habe ich schon eine Menge Kleidung an. Es wird eine interessante Nacht um halb 9 gehen die Lichter aus.
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