Zehn Stunden Schlaf in einem richtigen Bett haben geholfen. Mir geht es besser, nur der Hals fühlt sich schlimmer an, als gestern. Es gibt Frühstück in der Unterkunft. Gestern habe ich die Spülschwämme in der Küche gesehen. Ich bin schon etwas herumgekommen, habe vieles gesehen und bin hart im Nehmen, noch nie fand ich etwas so ekelig wie diese Schwämme. Dass damit das Geschirr, von dem ich gerade esse, "sauber" gemacht wurde versuche ich beim Essen zu verdrängen. Denn das Frühstück schmeckt gar nicht schlecht und ich bin froh über die Stärkung am Morgen, inklusive warmen Tees.
Trotzdem muss ich mich beeilen die Anderen warten schon auf mich. Vorher zahle ich noch in der Unterkunft, bekomme aber nur Landeswährung zurück. Bei 50€ suboptimal, ich muss das ganze Geld wieder zurück wechseln, ausgeben werde ich es in Mazedonien nicht mehr. Überraschenderweise ist der Wechselkurs im Wechselbüro wirklich gut.
Dann geht es endlich los. Die letzten Kilometer in Nord Mazedonien, es war nur ein kurzes Vergnügen. Gestern wurden wir noch vom Vermieter mit der Polizei bedroht, da wir angeblich nicht gezahlt haben. Eigentlich sind die Leute hier aber sonst sehr sehr freundlich. Auch die Zeit im Balkan geht damit für mich vorbei. Der Wind steht gut Basil macht ziemlich Tempo und wir sind sehr schnell an der Grenze zu Griechenland.
Griechenland ist das zehnte Land auf der Reise, ein kleines Jubiläum. Auch sonst wird der Tag speziell.
Wir fahren auf normalen Straßen, verpassen eine Abbiegung und fahren deshalb einen Schlenker über einen eingezeichneten Weg in einem Bauernhof. Jedenfalls versuchen wir das. Der Weg ist plötzlich unglaublich matschig, wir kommen einfach nicht weiter. Es waren nur zehn Meter, aber unsere Räder sind ordentlich eingesaut. Wir machen alles mit Gras vom Wegesrand notdürftig sauber, lachen über eine Mischung aus Dreck und Kuhfladen, die zwischen Basils Hinterrad und Satteltasche hängt.
Wenig wussten wir, dass und das Lachen später noch etwas vergehen wird. Munter machen wir Witze über Komoot Specials und nehmen eine Abzweigung auf einen augenscheinlichen Schotterweg. Ziemlich schnell merken wir, dass der Weg auch matschig ist, nehmen die rutschenden Hinterräder als Herausforderung und fahren einfach weiter. Der Matsch ist aber extrem lehmig und klebrig, keine gute Kombination. Jack und ich lachen, als Basils Rad stecken bleibt, der Dreck sein Hinterrad komplett blockiert. Er schiebt, läuft aber so schnell, dass er quasi mit uns mithalten kann. Wir bleiben auf der Grasnarbe neben dem eigentlichen Weg, dort ist es fahrbar. Jedoch nicht lange, bald ereilt uns das gleiche Schicksal wie Basil. Die Räder können nur noch mit großem Kraftaufwand geschoben werden, bald hat sich alles so mit Dreck zugesetzt das nichts mehr geht. Wir zerren die Räder durch den Matsch, er ist inzwischen überall, auch in unseren Schuhen. Es ist ein Kraftakt die schwer beladenen Räder werden durch den ganzen Dreck nochmal deutlich schwerer. Anheben ist nicht mehr möglich. Die anderen klauben den Dreck mit ihren Händen vom Fahrrad um ein paar Meter weiter zu kommen. Die bessere Lösung ist es aber durch die kleinen Wasserströme auf dem Weg zu schieben. Durch das Wasser löst sich der Matsch etwas. Nach fast zwei Kilometern auf dem Schiebestück kommen wir endlich wieder auf die Straße. Fahren können wir auf unseren Rädern aber nicht. Es erscheint wie eine Fata Morgana, nur wenige Meter entfernt ist eine Tankstelle. Wir dürfen den Wasserschlauch benutzen, sollen es nur bitte vorne auf der Straße machen. Innerhalb kürzester Zeit verwandelt sich der saubere Gehweg in eine riesige braune Pfütze. Wir brauchen über eine Stunde um die Räder wieder halbwegs sauber zu bekommen. Der Dreck ist einfach überall. Beim Losfahren klingen die Räder scheußlich, alles knarzt, reibt und schabt. Es tut in der Seele weh. Auch meine am Morgen perfekt eingestellten Bremsen sind so weit verschlissen, dass ich die Hebel fast bis zum Lenker ziehen kann. Später fahre ich deshalb bei Schrittgeschwindigkeit und nur mit der Hand an der Hinterradbremse, prompt gegen eine Mülltonne. Vor der nächsten Abfahrt stelle ich also alles wieder neu ein. Langsam brauche ich auch generell neue Bremsbeläge. Die sollte ich in Thessaloniki aber gut bekommen.
Die ganze Aktion hat uns immens Zeit gekostet. Wir sind gerade mal 45 flache Kilometer gefahren. Die ganzen Höhenmeter des Tages liegen noch vor uns. Nachdem das Adrenalin abgeklungen ist, geht es mir auch gar nicht mehr gut. Wir machen zum Glück bald eine Pause und entscheiden nicht mehr so weit zu fahren. Die Zeitverschiebung in Griechenland hat uns noch eine weitere Stunde geklaut.
Ein großer Anstieg liegt noch vor uns, ich lasse den Rest ziehen und kurbel alleine entspannt den Berg hoch. Die Aussicht ist klasse. Im Dorf an der Spitze des Berges füllen wir die Vorräte für eine Nacht im Zelt auf. Dann geht es weiter. Plötzlich weitet sich alles und gibt den Blick auf ein atemberaubendes Panorama frei. Ich bin überwältigt vom Ausblick und der Schönheit der Natur. In meiner persönlichen Skala bisher der Beste der ganzen Tour. Wir schlagen noch früher als geplant unser Lager auf. Ich mache mir einen Linsensalat und genieße den Ausblick. Die Straße auf der wir fuhren war sehr sehr ruhig. Für unseren Platz für die Zelte sind wir auf eine kleine Schotterstraße gefahren. Hier sollte uns niemand finden, denken wir jedenfalls. Zweimal kommen Pickups vorbei. Uns wird jedoch freundlich zugewunken. Ein Fahrer unterhält sich sogar mit uns. Er hat zwei Jahre in Düsseldorf gewohnt. Er fährt noch zweimal vorbei. Einmal sind wir noch draußen, das zweite Mal ist es dunkel und wir im Zelt. Er lässt es sich nicht nehmen trotzdem noch ordentlich zu hupen.
Die Jungs wollen morgen früh raus, der Wecker klingelt um Viertel vor sechs. Mein Zelt wird von Mücken belagert, Basil im Zelt nebenan schnarcht so laut, dass sie wilden Tiere direkt in die Flucht geschlagen werden. Mir geht es aber wieder deutlich besser. Es wird zwar morgen ein langer Tag bis nach Thessaloniki, zum Glück jedoch mit kaum Höhenmetern. Draußen riecht es nach frischen Kräutern und Minze. Mit einem Lächeln im Gesicht schlafe ich ein.
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