Der Schweiß läuft mir in die Augen, meine Lunge pfeift. Was gestern noch als seichter Anstieg begann, geht heute als Albtraum weiter. Der Anstieg ist gnadenlos steil, der Untergrund lose. Er besteht aus kleinen Steinen. Bei über 15 % Steigung kommt man nicht schnell voran, und die Sonne ist bereits stark. Immer wieder schiebe ich mein Rad, während der Fahrt scheint es immer eine gute Alternative und sicher leichter. Sobald man aber einmal neben dem Rad steht, ist es gar nicht mehr so leicht und Fahren immer die bessere Option. Dennoch ist die Laune auf einem Hoch, heute erwarten uns nur 50 Kilometer und am Ende eine Unterkunft mit Dusche. Wir nennen es einen Pausentag. Wirkliche Erholung ist es natürlich trotzdem nicht.
Wir kommen an einer Stelle vorbei, an der die Straße komplett zerstört ist. Ein paar Männer werfen Steine in die Zwischenräume, wie dauerhaft diese Reparatur ist, ist fragwürdig. Sie sind genauso verwirrt über unser Vorhaben, diesen Berg zu bezwingen, wie wir über ihre Reparaturmaßnahmen.
Irgendwann ist auch dieser Berg bezwungen. Ich bemerke einen seltsamen Widerstand in meinem Antrieb, ein mahlendes Gefühl. In den letzten Tagen hat sich die Schaltung seltsamerweise wieder besser angefühlt. Woran es liegt, können wir uns nicht erklären. Jetzt, mit Blick auf das Schaltwerk, fallen zwei Sachen auf: Das untere Schaltröllchen ist nahezu komplett rund und die Kette liegt daneben und fräst gerade Teile des Schaltwerks ab. Eigentlich wollte ich nicht nochmal am Schaltwerk herumbiegen, um es nicht potentiell noch weiter zu beschädigen. Würde ich jetzt allerdings nicht irgendwie eingreifen, ist ein kompletter Ausfall nicht so unwahrscheinlich. Ich könnte mein Rad immer noch als Singlespeed, also mit nur einem Gang, betreiben. Diese Lösung würde ich mir aber eigentlich nur für den absoluten Notfall aufheben wollen. Also kommt doch nochmal Basils Zange zum Einsatz, jetzt sieht der untere Teil des Käfigs wieder gerade aus und auch die Kette läuft über das deformierte Schaltröllchen. Weitere drei Tage sollte es jetzt also halten.
Plötzlich stehen wir auf einer stark verdichteten Schotterstraße, das Fahren ist plötzlich wirklich leicht. Das Rad läuft, vor allem bergab rolle ich den anderen immer weg, ein paar gerne genommene Extra Meter Vorsprung für die Anstiege. Wir müssen hier in einer Art Bergbaugegend sein, immer wieder kommen ordentlich beladene LKWs an uns vorbei gefahren. Wir sind immer noch mitten in den Bergen. Umso mehr verwundert uns die alte Dame, die auf einmal mitten im Nirgendwo am Wegesrand auftaucht. Sie hat einiges an Taschen dabei und scheint anscheinend auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Je weiter wir noch fahren, desto verwirrter sind wir, wie sie dort hingekommen ist. Bald beginnt für uns aber eine fünf Kilometer Abfahrt. Sie ist perfekt zu fahren, ich glaube, so schnell war ich Offroad noch nie unterwegs. Am Straßenrand, halb im Graben, hängt ein ausgebrannter Pickup, eigentlich ein gutes Fotomotiv, aber ich kann jetzt nicht anhalten. Die Minenstraße bringt uns direkt in einen heftigen Asphaltanstieg, uns ist das egal, nur noch 10 Kilometer bis zur Unterkunft. Wir träumen alle bereits von der Dusche, heute ist Tag Acht ohne. Die Träume halten an, bis wir plötzlich rechts von der Asphaltstraße abbiegen. Schwer zu beschreiben, was uns hier erwartet, nur Weg kann man es eigentlich nicht nennen: Grober Fels, kaum fahrbar, umgeben von losem Geröll. Wir kommen kaum noch voran, zusätzlich ist es durch unsere lange Abfahrt plötzlich richtig heiß. Die Sonne röstet uns noch einmal richtig durch, während wir uns einen halbwegs fahrbaren Weg suchen. Besonders interessant wird die anschließende Abfahrt. Wir hatten bereits haarige Stellen, hier habe ich das erste Mal richtig Angst auf dem Rad. Alles rutscht, klackert und bewegt sich. Ein Fehler hier würde richtig böse enden, und das Ganze auf unseren ungefederten, beladenen Rädern. Ich bin doch froh, als es vorbei ist, und justiere erstmal meine Bremsen nach. Die Beläge sind in den letzten zwei Wochen ziemlich verschlissen. Zum Glück geht es ab jetzt nicht mehr technisch weiter, und wir sind bald an der Unterkunft, ein buntes, kleines Juwel in der restlichen Marslandschaft. Es gibt sogar ein kleines Berber-Museum. Die Dusche ist ein absoluter Traum, der Boden füllt sich mit braunem Wasser, während ich mir den Dreck des Tages und wahrscheinlich auch ein paar Schichten der Tage davor abwasche. Ich fühle mich wie neu geboren. Anschließend geben wir noch unsere Radsachen zum Waschen ab. Wir haben alle etwas Mitleid, eine unserer Socken reicht schon, um das gesamte Grundwasser des Dorfes zu vergiften, was eine gesamte Trommel Radklamotten von drei stinkenden Radfahrern mit der Waschmaschine anstellen werden, will ich mir gar nicht vorstellen.
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