Die Vorfreude ist groß, endlich geht es wieder aufs Fahrrad. Ich packe meine weit verteilten Sachen ein. Es gibt zwei Spinde mit mehr oder weniger großem Chaos, dazu noch meine zwei Reisetaschen. Erstaunlicherweise geht das Packen doch trotzdem relativ gut und schnell vonstatten. Zuvor hatte ich noch probiert meine Postkarten zu verschicken. Das Postamt, das ich die Tage zuvor gesehen gesehen hatte, war aber nur eine Filiale der China Postal Bank. Ich frühstücke erst noch eine Portion Baozi, bevor ich zurück zum Hostel gehe.
Die gepackten Taschen sind bald am Rad. Dadurch, dass ich keinen Vergleich zu anderen Personen mehr habe, fühlt es sich an, als wäre ich schnell und effizient. Ob das in der Realität auch so ist, bleibt ungeklärt. Immer wieder unterhalte ich mich oder versuche annährend eine Unterhaltung mit den chinesischen Dauergästen im Hostel zu führen. Dass ich kein Chinesisch spreche, hält sie nicht davon ab, mir immer wieder Fragen zustellen oder zwischendurch auch einfach diverse Dinge zu erzählen, die ich auch nach mehreren Tagen in Chengdu nicht verstehe. Aber alle haben Spaß und das ist die Hauptsache. Ich verabschiede mich noch vom deutschen Tandem-Paar und mache mich auf den Weg Richtung Post.
Die Briefmarken sind etwas groß, eine kreative Anbringung sollte aber trotzdem für eine Zustellung sorgen. Auf den breiten Radwegen, die neben jeder Straße sind, fährt es sich ziemlich entspannt. Die chinesische Infrastruktur für das Fahrradfahren ist die beste aller Länder bisher. Es gibt nur ein Problem, die chinesischen Autofahrer, die komplett unaufmerksam durch den Fahrrad- und Motorradverkehr hindurchfahren, oder denen es einfach komplett egal ist. Bei der immensen Anzahl an Zweirädern, setzt nach Jahren wahrscheinlich eine gewisse Gleichgültigkeit ein, für mich ist es aber ziemlich nervenaufreibend. Doch trotz alldem ist es immer noch ein wirklich entspanntes Fahren, im Vergleich mit den bisherigen Großstädten, einfach durch die wirklich breiten Fahrradstreifen. Eine Begegnung bleibt mir jedoch im Gedächtnis. Eine Gruppe Frauen läuft auf eben jener Fahrradspur. Das Elektromoped vor mir fährt fast in eine Frau hinein und probiert sich danach mit dauerhaftem Hupen (und das wirklich laut) Platz zu verschaffen. Die Frau vor ihm läuft mit stoischer Gelassenheit und Ignoranz weiter vor ihm her, als würde die Hupe gar nicht existieren.
Während der ersten 30 Kilometer fahre ich permanent an riesigen Hochhäuserblöcken vorbei. Es fühlt sich an, als würde ich an jeder Kreuzung in das absolute Zentrum einer deutschen großen Innenstadt fahren. Es ist verrückt. Später finde ich über Google heraus, dass in Chengdu über 16 Millionen Einwohner leben, eine wahnsinnige Zahl.
An einer Tankstelle lasse ich meine Benzinflasche auffüllen. Kochen lohnt sich hier eigentlich überhaupt nicht, aber ich möchte für den Notfall abgesichert sein oder mir morgens nach dem Zelten mal ein Porridge kochen können. Vom Hersteller des Kochers MSR habe ich auch nach mehreren Nachfragen zu meiner fehlerhaften Düse keine Antwort bekommen, ein Armutszeugnis bei einem fast 200€ teurem Kocher. Trotzdem scheine ich mehr Glück als die anderen gehabt zu haben, beide Schweizer Paare die einem Tag vor mir unterwegs sind, haben an keiner Tankstelle Benzin bekommen.
An die Wassersprüher auf den Zäunen chinesischer Baustellen habe ich mich inzwischen gewöhnt. Überrascht war ich aber von einer Art Betonmischer mit einem Wassersprüher, ähnlich einer Schneekanone, auf der Straße. Es war den ganzen Tag diesig und bedeckt, aber die komplett nassen Straßen müssen bewusst herbeigeführt worden sein, um Staub zu verhindern. Innerhalb kürzester Zeit bin ich gesprenkelt mit Matschwasser. Ein knapp überholender LKW tut sein Übriges dazu bei. Ich ärgere mich über meinen nassen Rücken, dann fällt mir ein, dass meine Kamera wie immer ebenfalls dort hängt. Panisch trockne ich sie ab und probiere so gut es geht, den Dreck zu entfernen. Nachdem bereits ein Drehrad ausgefallen ist, möchte ich ungerne noch mehr Funktionen verlieren.
Der Tag nach Huanglongxi ist mit 46 Kilometern kurz und eine gute Eingewöhnung. Ich habe genug Zeit, um die 1.700 Jahre alte Stadt noch etwas zu erkunden. Jedenfalls nachdem ich endlich mein Hotel gefunden habe. Der Eingang ist in einem kleinen Laden, ich fahre mehrmals dran vorbei und die drum herum stehenden Leute sind auch nicht sehr hilfreich. Alle probieren mich zu ihren Parkplätzen zu lotsen, wo ich mein Fahrrad für eine kleine Gebühr abstellen kann. Dass ich bereits ein Hotel gebucht habe und sie gerade nach dem Weg dorthin frage, ist egal.
Frisch geduscht gehe ich auf Erkundungstour. Von allen bisherigen städtischen Attraktionen wirkt diese hier am authentischsten. Der Gehalt an neugebauten Gebäuden ist gering bis nicht vorhanden und wenn fällt es nicht auf, kein Vergleich zu Kashgar. Allerdings sorgen die immer gleichen Touristenläden wieder für eine Phantasialand Atmosphäre. Es gibt wie immer Tintenfisch am Spieß, aber wenigstens sehe ich keinen einzigen Schweinefuß. Eine besondere Attraktion ist Luftballonschießen, eigentlich eine Schande. Die schönen kleinen Gassen könnten so viel mehr bieten. Trotzdem habe ich Spaß, so stelle ich mir das alte China vor.
Zum Abschluss meiner Spazierrunde komme ich an eine große alte Brücke. Sie ist imposant und kunstvoll gestaltet mit einer Vielzahl von Aufbauten. Leider ist das Licht nicht das Beste und es dämmert langsam, ich hätte gerne noch mehr und schönere Fotos gemacht. Eine ziemlich scharfe Nudelsuppe später liege ich im Hotelbett, das erste Mal seit Langem wieder alleine. Morgen will ich früh aufstehen, um genug Zeit zu haben für die längere Fahrt nach Leshan, wo ich die beiden Schweizer Paare wieder treffe.



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