Dafür, dass ich so skeptisch über meinen Platz für das Zelt war, habe ich sehr gut geschlafen. Das Zelt war zwar nass, die Sonne war schon früh sehr stark und es war schön warm. Alles ist also sehr schnell getrocknet. Ich lasse mich verleiten vor dem Frühstück noch ein Dehn und Liegestützen Programm mit dem Rest zu machen. Später sollte sich zeigen, das wäre nicht nötig gewesen. Bei Sonnenschein sitze ich das erste Mal richtig  in meinem, schon lange unbenutzt in einer Tasche steckenden, Stuhl. Ich koche mir Porridge, wie immer brennt es unten an. Egal wie sehr ich mich beim Rühren anstrenge, nie funktioniert es.
Während des Zusammenpackens merke ich meine fehlende Routine im Vergleich zum Rest. Sie stehen schon abfahrtsbereit an ihren Rädern, meine Ausrüstung liegt noch auf dem Boden verteilt herum. Irgendwann kommen wir endlich los, ich bin bereits nass geschwitzt. Unsere eigentliche Route ist durch die großflächige Überflutung des Tals nicht mehr möglich. Wir müssen also einen anderen Weg inklusive neuem Grenzübergang finden. Der nächste ist zum Glück nur ein paar Kilometer entfernt. Dort aber Ernüchterung, nur Locals dürfen passieren, wir müssen zu einem anderen Grenzübergang fahren. Das bedeutet 10 Kilometer Umweg und über 200 Höhenmeter extra. Aber das Wetter ist gut, unserer Laune macht es nichts aus. An einem Friedhof füllen wir unsere Flaschen auf, dann geht es weiter bergauf. Die Aussicht über das Tal ist genial, das Ausmaß der Überflutung aber etwas beänstigend. Schneller als erwartet sind wir an der Grenze, bekommen nur auf Nachfrage einen Stempel in den Reisepass und schon haben wir die EU verlassen. Große Änderungen gibt es abgesehen von anderen Nummernschildern aber nicht. Lediglich der Grenzübergang nach Bosnien heinein sieht deutlich heruntergekommener als der auf der kroatischen Seite.
Der Tag verläuft weiter unauffällig, bis Komoot uns von der Hauptstraße nach links abbiegen lässt. Ich bekomme gleichzeitig von meinem Wahoo die Ankündigung eines sehr steilen Anstieges angezeigt. So soll es dann auch sein. Anfangs noch fahrbar verwandelt sich die Straße sehr schnell in einen Gehweg, und danach in Stufen. Neben der Treppe verläuft ein sehr steiniger Grünstreifen, wir fangen an unsere Räder dort hinauf zu schieben. Ein älteres Ehepaar schaut uns zu, protestiert lauthals und versucht uns davon abzubringen weiter zu machen. Aber wir wissen es ja besser. Es ist unglaublich heiß und anstregend. Meine Hände sind nass vom Schweiß und rutschen am Lenker ab. Das Rad zu schieben ist mindestens genauso anstregend wie fahren, mit meinen Klick Schuhen finde ich auf dem losen Untergrund kaum Halt. Trotzdem zerre ich mein Rad immer weiter. Nach drei bis vier Schritten muss ich jeweils eine Pause einlegen. Zusätzlich zum Anstieg muss auch noch ein Steinhaufen überwunden, das Rad also zusätzlich noch halb getragen werden. Spaß macht das nicht. Irgendwann komme ich oben an, bin völlig fertig. Jack hilft mir auf den letzten Metern noch beim schieben. Die Liegestützen am Morgen hätte ich mir sparen können, das wird seine Spuren an neinen Muskeln hinterlassen haben.
Als die Route uns das nächste Mal von der Hauptstraße herunter schickt, besprechen wir uns längere Zeit ob wir es wirklich riskieren wollen. Wir nehmen das Risiko auf uns und es zahlt sich aus. Wir fahren über Schotterstraßen, der Untergrund ist teilweise wirklich grob. Es ist perfekt für unsere Mountainbikes, alle haben ein dickes Grinsen im Gesicht. Plötzlich wird Komoot wieder gelobt. Für die Routenplanung haben wir als Modus normale Radtour ausgewählt, mit einem normalen Trekking Rad, wäre auf diesen Wegen aber nur sehr langsames Vorankommen möglich.
Während einer Pause sitzen wir in einem Café. Die Besitzerin scheint ein gutes Geschäft mit drei stinkenden Radfahrern zu wittern und versucht uns Parfüm zu verkaufen. Wir sind aber alle drei nicht interessiert.
Mittags kommen wir in Mostar an. Die Stadt war im Bosnien Krieg stark umkämpft, noch heute sind an vielen Häusern Einschusslöcher zusehen und viele Ruinen stehen am Straßenrand. Ein bedrückender Anblick. Mostar ist bekannt für seine alte Brücke, Stari Most, welche erstmals im 16. Jahrhundert gebaut wurde. Im Bosnien Krieg wurde sie zerstört, 2014 aber wieder aufgebaut. Wie alle Städte mit einem Wahrzeichen leben die Leute hier stark vom Tourismus. Den Umgang mit der Geschichte empfinde ich teilweise als zweihalft. In den zahlreichen Souvenirshops gibt es neben den klassischen Magneten mit Städtelogo, auch Jets und anderes Kriegsgerät aus Patronenhülsen zu kaufen. Läuft man durch die Straßen sieht man was mit dieser Munition alles angerichtet wurde. Zerstörte Häuser, Einschusslöcher im Boden, Wänden oder Toren. Viel weiß ich über den Jugoslawien Krieg nicht, nur dass er (wie alle Kriege) extrem grausam war. Warum man sich davon etwas mit nach Hause nehmen möchte ist mir immernoch nicht klar.
Im Internet lese ich etwas von einer großartigen Fotografie Ausstellung in der Nähe der Brücke. Mindestens zwei Stunden soll man dort verbringen. Irgendwann habe ich genug Fotos gemacht und entschließe mich vor dem Abendessen, noch welche anschauen zu gehen. Ohne mobile Daten finde ich das Museum aber nicht. Ich denke es gefunden zu haben, schon beim Betreten muss man aber erst durch einen Souvenirshop. Es wirkt alles etwas seltsam. Im Museum wird mir dann klar, dass ich mich geirrt habe. Nach einer Viertel Stunde bin ich durch mit der Ausstellung. Es war eine typische Touristen Falle, kaum Fotos dafür Rechtschreibfehler in den Bildunterschriften, schiefe Bilder und seltsame Wandfarben. Es gibt eine Nachbildung einer Straßenschlacht mit Schaufensterpuppen, hätte das Thema nicht so einen traurigen Hintergrund würde ich laut lachen. Später finde ich heraus, dass das eigentliche Museum gar nicht so weit weg gewesen wäre. Wir waren aber ohnehin zum Abendessen verabredet, ich hätte also wohl eh nicht genug Zeit gehabt. 
Trotz allem bin ich sehr zufrieden mit dem Tag, sehr voll von einem riesigen vegetarischen Grillteller gehe ich zu den Rufen des Muezzin ins Bett.
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