Aus dem geplanten Pausentag in Murghab wurden zwei. Am Tag nach unserer Ankunft, schneit es ordentlich, die Sonne ist den ganzen Tag nicht zu sehen. Wir erkunden etwas die Stadt, durch die tiefen grauen Wolken wirkt alles extrem trostlos. Highlight der Stadt ist der Containermarkt. Die Einwohner haben eine Vielzahl an Containern ausgebaut und teilweise mit Laden-Fronten versehen. Es gibt von alles von Kleidung, Elektronik bis zu frischem Obst. Leider finden wir bei unserer Suche im Schneefall keine Souvenirs aus Yak Wolle. Ich hatte auf ein paar warme Socken (die ich hier gut hätte gebrauchen können), oder noch besser eine Mütze gehofft. Wir sind aber aus der Tourismus Saison heraus, daher ist das "Yak House" geschlossen und auf dem Markt gibt es nur ein paar handgestrickte Socken aus Schafswolle. Deren Packmass ist riesig und ohne den besonderen Faktor Yak Wolle, kann ich sie einfach nicht mitnehmen. Etwas was ich später noch bereuen sollte. Wir verbingen viel Zeit in unserem Zimmer beheizt mit einem nicht wirklich vertrauenserweckenden Heizstrahler. Selbst der Stecker in der Steckdose wird so heiß, dass man ihn nicht wirklich anfassen will. Außerdem gibt es im Holzregal, eine interessante Bastellösung mit Autozigarettenanzünder Steckern. Da wir unsere Tour noch länger fortsetzen und nicht nachts einem Brand zum Opfer fallen wollen, machen wir einen ganz weiten Bogen darum. Am zweiten Tag, liegt Morgens immernoch Schnee, wir entscheiden noch einen Tag zubleiben. Jack und ich liefern uns eine Schneeballschlacht mit dem Kind der Besitzerin. Auf der Höhe ziemlich anstrengend. Wenige Stunden später, klart es jedoch auf und der gesamte Schnee ist verschwunden. Wir können Murghab nochmal bei Sonnenschein genießen, direkt wirkt alles fröhlicher. Am nächsten Tag soll es so bleiben, es gibt noch einmak kurz Schnee, aber danach siegt die Sonne endlich komplett.
Es läuft "It's a beautiful day" und es stimmt. Draußen liegt kein Schnee, die Sonne scheint, wenn auch verborgen hinter ein paar Wolken. Die Laune ist sehr gut. Das Frühstück dauert etwas länger, so nutzen wir die Zeit um die Räder komplett fertig zu packen. Normalerweise frühstücke ich gerne erst noch in normalen Sachen und ziehe dann die Radsachen an, heute mache ich aber eine Ausnahme, schließlich haben wir einen langen Tag vor uns. Es gibt wie immer Spiegelei, Brot und Marmelade. Wir essen so viel wir können und packen noch ein Brot für die Fahrt ein.
Wir sind dick eingepackt, fast schon zu sehr. Der Weg aus Murghab heraus fühlt sich noch mehr wie eine Fahrt ins Nichts an, als an den bisherigen Tagen. Die Ungewissheit über das was vor uns liegt, löst eine Mischung aus Angst und Vorfreude aus. Auch wenn das ganze etwas weniger intensiv ist als an dem ersten Tag über den Pass nur mit Jack. Die Aussichten sind großartig, man kann sich gar nicht satt sehen an Bergen links und rechts. Erstmals bin ich auch froh über den Schnee, er bietet einen schönen Kontrast auf der sonst kargen Berglandschaft.
Unsere erste Pause machen wir an einer alten Caravanserai. Einem Rastplatz für Karavanen auf der alten Seidenstraße. Die äußere Mauer bietet guten Schutz vor dem Wind und so sitzen wir in der Sonne und genießen die Wärme. Viel Pause gönnen wir uns aber nicht, schließlich haben wir noch einiges vor uns. Als wir Weiterfahren, kommt der Wind von hinten und sir machen gut Kilometer. Neben der Straße verläuft die gesamte Zeit ein Zaun, er makiert die Grenze zu einem von China annektierten Gebiet. An einer Stelle ist eine Lücke, Jack springt einmal herüber, ein weiteres besuchtes Land auf seiner Reise. Ich brauche das nicht, schließlich geht es für mich eh bald auf legalem Wege nach China. Außerdem bemerken wir ein starkes Echo durch die Bergwände an dieser Stelle. Kaum fahren wir weiter, kommt ein offizieller Militär Pick up an uns vorbei. Gut dass Jack auf dem Fahrrad sitzt und nicht auf der anderen Seite des Zaunes steht.
Den Anstieg haben wir uns in drei Teile aufgeteilt. Vor dem letzten Teil, der drei Kilometer lang und sowohl offroad, als auch ziemlich steil ist, machen wir die letzte Pause. Dort ist auch schon das Passschild, auch wenn wir noch gar nicht am Ende angekommen sind. Von Annick ist keine Spur zu sehen. Wir halten ein vorbei fahrendes Auto an und erkundigen uns nach ihr, sie ist ein gutes Stück hinter uns, aber es geht ihr gut. Hier liegt schon noch Menge Schnee und der Wind macht es richtig kalt. Eigentlich sollte an dieser Stelle eine Familie leben, die in ihrem Haus auch eine Unterkunft für Touristen anbietet. Auch hier zeigt sich das Ende der Saison, alles ist winterfest verrammelt. Unser Plan B falls wir es nicht über den Pass schaffen würden ist somit hinfällig. Aber es ist eh noch früh genug und wir sollten es schaffen. Jack und ich suchen einen halbwegs geschützten Platz, leider kommen sowohl Wind als auch Sonne aus der gleichen Richtung. So ist es teilweise im Schatten fast wärmer als in der Sonne. Irgendwann kommt zum Glück auch Annick. Es gibt noch mehr Brot und Pause, dann machen wir uns an den finalen Anstieg. Es ist die absolute Hölle. Wir sind bereits über 4300 Metern, aber es geht immer weiter hinauf und der Weg ist ziemlich steil. Auf normaler Höhe wäre es wahrscheinlich ziemlich anstrengend aber am Stück fahrbar, hier ist es unmöglich. Selbst kurze Verschnaufpausen bringen kaum Linderung, die Luft ist so dünn, dass es ewig braucht bis man sich erholt hat und wieder zu Atem gekommen ist. Zurück auf dem Rad, ist man nach wenigen Metern wieder außer Atem. Manche Stücke schiebe ich, langsamer als fahren ist man so auch nicht. Es erinnert mich an den Schiebetag in Georgien, nur in deutlich höher und kälter. Annick hat auch ziemliche Probleme schlägt sich aber wacker. Ich probiere noch ein Stück zu fahren, danach entscheide ich die letzten 200 Meter zu schieben. Wir schauen einem Offroad Auto einer Reisegruppe zu, wie es einen Anstieg um eine Kurve nicht hoch kommt, Jack fährt einfach dran vorbei. Ich warte bis Annick aufgeschlossen hat, dann geht es das letzte Stück hoch auf den Pass.
Die erwartete Magie bleibt aus. Hier oben stehen auf einem schmalen Weg eine Vielzahl von Jeeps der russischen Gruppe. Die ganzen Leute schauen uns bewundernd und Mitleidig an. Der Weg ist komplett vereist, ich mache mir Sorgen über die Abfahrt. Zusätzlich ist es super kalt und die Sonne verschwindet langsam hinter dem Bergrücken. Mit zitternden Händen ziehen wir so viele Schichten an wie wir noch übrig haben, machen kurz ein paar Fotos und schauen dann dass wir weiter kommen. Später fällt mir ein, dass ich einen Stein von dort oben mitnehmen wollte und seit Deutschland einen Schokoriegel dabei habe, den ich mir eigentlich für diesen besonderen Moment aufgehoben hatte.
Die Abfahrt ist nicht steil, aber vorallem am Anfang noch voller Schnee und Eis. Wir fahren vorsichtig ab, mit unseren Mountainbikes ist es aber kein Problem. Mehr Probleme hat Annick, ihr Touring Rad ist absolut nicht für solche Situationen gebaut. Uns drängt die Zeit, es wird immer kälter und dunkler. Das Ziel, ein Yurten Camp ist noch knappe 12 Kilometer entfernt. Nach einem kurzen fahrbaren Stück kommt ein alter, aber nicht willkommener, Bekannter zurück. Die Schotterstraße ist ausgewaschen und voller Waschbrett Huckel. Jack und ich schon bewanderte Waschbrettwege im halbdunklen Abfahrer kommen halbwegs voran, machen uns aber Sorgen um Annick, halten immer wieder an und schauen dass sie wirklich noch fährt. Die Temperatur hat inzwischen einen Tiefstand der Reise erreicht, mein Wahoo zeigt -7 Grad an. Die Hoffnungen auf eine schöne warme Yurte mit warmen Essen sind groß. Als wir aber im quasi dunkeln an der besagten Stelle ankommen, ist nichts mehr da. Die Familie scheint ihr Lager für den Winter abgebrochen zu haben und in tiefere wärmere Gefilde gezogen zu sein. Man kann es ihnen nicht verdenken. Ich hatte noch mit Jack gewitzelt, selbst wenn sie nicht mehr dort sind, wie soll man eine Yurte abschließen. Jetzt haben wir die Antwort, man nimmt sie einfach mit.
Wir machen eine schnelle Lagebesprechung. Ein Check von iOverlander zeigt, in weiteren 7 Kilometern ist nochmal eine Caravanserai. Inzwischen ist es dunkel, unsere Lichter springen durch die Huckel auf der Straße. Erst fahren wir fast an der Caravanserai vorbei, sie liegt etwas unter der Straße. Das Dach könnte im Dunkeln auch als normaler Boden durch gehen. Aber sie ist ein Glücksfund. Es gibt viele Räume, perfekt für ein Zelt und nur mit kleinen Fenstern nach außen, was eine halbwegs warme Nacht bedeutet. Jack baut sein Zelt schon auf, ich halte Ausschau nach Annick, damit sie nicht an uns vorbei fährt. Gerade als wir die Wachablösung machen, kommt sie an. Wir haben entschieden, dass sie mit zu mir ins Zelt kommt. Zum einen da sie ihres nicht in einem Raum abspannen kann, meins aber freistehend ist, zum anderen damit wir beide eine wärmere Nacht haben. Ich befreie den Boden von Steinen, wirbel dabei aber eine Menge Staub auf und muss erstmal hustend den Raum verlassen. Danach kochen wir noch Abendessen. Es gibt wie immer Nudeln. Da mein Kocher nicht funktioniert, machen wir zwei Portionen für Jack und mich in meinem großen Topf, die Nudeln werden aber wieder super schleimig und das Olivenöl ist von den Minusgraden geforen. Wir probieren trotzdem so viel es geht zu essen, aber eine große Portion ist es nicht. Wir geben auf, etwas doof ist es schon, zwischen uns beiden verteilt, haben wir bestimmt noch fast 4,5 Kilogramm der Nudeln. Das passiert wenn man im Übereifer einkauft. Für weiteres bleibt keine Zeit, das spülen wird mit nackten Fingern zur großen Probe, Jack friert sich noch einen Finger an beim anschrauben der Gaskartusche. Annick ist schon länger im Zelt und so ist es warm als ich mich auf meine Isomatte lege. Es ist sogar wirklich angenehm. Von den zweistelligen Minusgraden bekomme ich hier drin zum Glück nichts mit.
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