Der Flug war problemlos. Am Flughafen wurde ich von Freunden aus der Uni abgeholt. Im ersten Moment habe ich mich ehrlich gesagt nicht gefreut. Eigentlich hatte ich allen extra gesagt, dass ich nicht abgeholt werden wollte. Sie waren aber mit dem Fahrrad gekommen, um die letzten Kilometer mit mir zusammen zu fahren. Ursprünglich habe ich mich nur meinem Schicksal hingegeben. Auf dem Weg nach Hause, durch Schnee und Kälte, so ganz anders als noch in Südostasien, habe ich mich dann aber doch immer mehr darüber gefreut. Der Moment des Einbiegens in meine Straße war dann genauso wie erwartet. Wobei ich eigentlich mit viel weniger Menschen gerechnet hatte. Die Freude darüber war so aber umso größer. Über die Straße wurde eine Fahnengirlande gehalten. Es fühlte sich an wie mein ganz persönlicher Zielbogen.
Jetzt sind drei Wochen vergangen, drei Wochen, in denen keine Langeweile aufgekommen ist. Geburtstage, ein Bewerbungsgespräch nach drei Tagen und die Zusage für meinen Traumjob an der Universität, keine Woche nach meiner Ankunft. Jetzt, wo sich die Wogen glätten, kommen langsam die Gedanken und Erinnerungen hoch. In den letzten neun Monaten ist so viel passiert, dass es schwierig ist, alles zu überblicken. Immer wieder scrolle ich durch meine Lightroom-Fotogalerie und erinnere mich an die zahlreichen Geschichten. Über 1700 Bilder lassen eine Menge Geschichte zurück. Doch es bleibt ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber all den Geschichten und Erinnerungen, verloren zwischen den Linien auf der Karte und den vielen Fotos.
All diese Momente der Reise, Begegnungen, Gastfreundschaft, Verzweiflung, Angst und Euphorie. Dinge, die mich immens haben wachsen lassen, an die ich mich oft aber gar nicht mehr erinnern kann. Der „normale“ Alltag als Radreisender, der plötzlich so weit entfernt ist. Oft werde ich gefragt, wie die Reise war, und ich weiß nicht, wo ich anfangen und wo aufhören soll. Ich vermisse die Einfachheit des Alltags und das Gefühl immenser Kameradschaft in unserer Dreiergruppe. Gemeinsames im Dunklen auf dem Gaskocher kochen, verbrannte Linsensuppe und schleimige Nudeln. Selten habe ich so intensiv gelebt wie auf den matschigen Straßen der Türkei, den grünen Bergdörfern Georgiens oder zwischen den schneebedeckten Gipfeln des Pamirgebirges. Die besten Momente im Leben kommen nicht auf dem einfachen Weg. Die Unwirklichkeit der letzten Monate hat etwas Traumhaftes an sich. Ich bin unglaublich dankbar für die Gesellschaft, die ich genießen durfte. Ich glaube, ohne Jack und Basil wäre ich nie in Singapur angekommen.
Vor der Reise habe ich Radfahrer auf solchen Routen für absolute Helden gehalten. Jetzt, nachdem ich viele verschiedene Menschen auf Fahrrädern getroffen habe, bleibt die Erkenntnis, dass wir alle eigentlich ganz normal sind (jedenfalls aus meiner Sicht). Annick bleibt aber immer noch die absolute Heldin und Legende meiner Reise. Ihre Kraft und Ausdauer, in der Härte des Pamir Gebirges mit uns jungen Wilden mitzufahren, hat mich tief beeindruckt. Ich seh sie immer noch auf ihrem roten Fahrrad im Kleid bergauf an mir vorbeifahren. Eine weitere Persönlichkeit, über dessen Bekanntschaft ich sehr glücklich bin. Die Nahbarkeit und Bodenständigkeit aller anderen war dabei immer sehr angenehm. Kein Radfahrer, den ich getroffen habe, war ein Angeber oder hat sich übermäßig mit seiner Reise gebrüstet. Die gesamte Radreisenden-Community war ausnahmslos freundlich und offen. Die Anzahl von Problemen, die mit der Hilfe von anderen gelöst werden konnten, war sehr groß. Auch ich bin immer noch sehr dankbar für die Lieferung von Teilen und meinem neuen Kocher durch Fremde, die in Georgien zu Freunden wurden.
Ich bin jedesmal erfreut und überrascht, wenn ich höre, wer alles meine Reise über den Blog verfolgt hat. Es war mir eine Freude, die Texte zu schreiben und wach zu bleiben, obwohl alle anderen schon schlafen. Ich hoffe, ich konnte inspirieren, Lust auf die Ferne machen, oder das Abenteuer in den Alltag bringen. Die Menschen sind viel freundlicher und die Welt noch schöner als man denkt.
Vielen Dank für die digitale Begleitung und bis zum nächsten Abenteuer.
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