Mein Zeit in Kuala Lumpur war ein Wirbel aus Ereignissen. Eine Sache hatten sie aber alle gemeinsam, die unglaubliche Gastfreundschaft, die ich jeden Tag erfahren durfte. Rückblickend ist es immer noch etwas schwierig, das Ganze in Worte zu verpacken. Vor Kuala Lumpur war ich ziemlich durch mit der Reise und mehr als bereit nach Hause zu fliegen. Wäre mein Flieger am selben Tag geflogen, ich wäre mit einem breiten Grinsen sofort ohne einen zweiten Gedanken eingestiegen. Aber Natalia und Ayman haben mit ihrer unglaublichen Gastfreundschaft, die über jedes normale Maß hinausging, dafür gesorgt, dass ich ein Gefühl von Heimat in einem mir bekannten, aber trotzdem fremden Land hatte.
Schon am ersten Abend gesellte sich die Mutter mit ihrem Ehemann, einem deutschen Auswanderer, zu uns. Die Verbundenheit der Familie wird auch in den nächsten Tagen deutlich. Quasi an jedem Abend und zu jeder Mahlzeit ist reger Betrieb im Haus oder Restaurant. Am ersten Tag werde ich zu einer malaysischen Hochzeit mitgenommen. Es ist zwar nur ein Pflichtbesuch, und wir gratulieren nur kurz, essen und fahren dann wieder. Trotzdem ist es ein schöner Einblick in die malaysische Kultur. Das Event findet in einem großen Raum einer Einkaufsmall statt. Der Raum ist über und über dekoriert mit Plastikblumen, der Name des Raumes ist „Secret Flower Garden“. Ganz so „secret“ ist er aber nicht, er befindet sich in einem Seitentrakt einer Shoppingmall neben noch zwei anderen Räumen. Innerhalb merkt man aber nichts davon, die Atmosphäre ist geschäftig und herzlich. Es gibt Unmengen an Essen und genau so viele Fotos. Mir wird ein besonderes Dessert angeboten, eine Art fermentierter Reis. Ich bin kein Fan von Alkohol, auch nicht in süßen Desserts. Da hier aber alle muslimisch sind und auf der Verpackung groß „halal“ steht, rechne ich mit nichts Schlimmem. Daher bin ich ziemlich überrascht, als ich den Reisblock beiße. Der Fermentationsprozess muss ziemlich weit vorangeschritten sein. Es schmeckt mehr nach Alkohol als jede Tiramisu, die ich je gegessen habe. Angeblich ist es okay, schmeckt aber nur nach Alkohol, soll jedoch keinen enthalten. Naja, ob das wirklich so ist, kann ich kaum glauben.
Am Abend geht es direkt weiter mit dem großen Essen. Wir halten auf dem Weg nach Hause noch an einer der größten Shoppingmalls KLs und kaufen ein. Später gibt es Hotpot, hier Steampot genannt. Glücklicherweise werden anders als im chinesischen Pendant nur Suppe und kein Fett zum Kochen benutzt. Die Chance auf Magenverstimmungen ist somit deutlich geringer. Zum Essen kommen neben Mutter und Ehemann zusätzlich noch der Bruder von Natalia mit seiner Frau und zwei kleinen Töchtern. Die eine ist noch ein Baby, die andere sehr schüchtern. Aber es ist ein sehr schöner Abend mit einer Menge gutem Essen. Sie geben sich viel Mühe, auch Rücksicht auf meine vegetarische Ernährung zu nehmen. Das Ganze geht so weit, dass ich zwischendurch fast schon ein schlechtes Gewissen habe. 
Am nächsten Tag steht die Lösung meines Fahrradproblems auf dem Plan. Natalia ist so nett, mich zum Radladen zu fahren. Draußen regnet es und der Verkehr in Kuala Lumpur ist übel. Vor lauter Tunneln, Brücken und Übergängen verliert man total den Überblick. Von daher bin ich sehr froh über das Angebot. Außerdem sollte das Ausbauen der Achse mit vernünftigem Werkzeug ja auch kein Problem sein, denke ich jedenfalls. Dies sollte der größte Trugschluss meiner ganzen Reise sein. Der „kurze“ Besuch im Radladen wird zu einer vierstündigen Odyssee. Weil die Achse partout nicht herauswill, egal wie groß das angelegte Werkzeug ist, muss am Ende die Bohrmaschine herhalten. Über vier Stunden werkeln zwei Mechaniker und ich am Fahrrad herum, aber die Achse ist ein sehr ausdauernder Gegner. Bis endlich das letzte Stück der Achse aus der Gabel mit Schraubendreher und Hammer gemeißelt wurde, bin ich tausend Tode gestorben. 100 € später kann ich den Laden schlussendlich verlassen. Aber immerhin kann ich jetzt einen potentiellen Platten flicken und, noch wichtiger, das Vorderrad für den Flug nach Hause ausbauen.
Ich war für 3 Uhr mit einem alten Bekannten, dem Koordinator für Aktivitäten mit ausländischen Studenten an meiner alten Universität in Malaysia, verabredet. Durch den viel zu langen Aufenthalt im Radladen komme ich eine Stunde zu spät. Natalia ist immerhin so lieb, mich direkt am Treffpunkt abzusetzen. Wir haben einen schönen Tag, er freut sich immer sehr, alte Studenten zu treffen und ist unglaublich gut vernetzt. Er zeigt mir noch sein Zuhause, eine Wohnung in einem riesigen Wohnkomplex. Vom Dach hat man eine beeindruckende Aussicht. Außerdem gibt es einen Pool und ein Fitnessstudio, alle mit Blick auf die Stadt. Generell fühlt sich das Ganze an wie ein Hotel. In mitten der hohen Wohntürme befindet sich ein kleiner Park mit zwei Pools. Das Hotelgefühl wird nur noch größer. Netterweise fährt er mich noch nach Hause. Rückblickend glaube ich aber, dass er nicht so ganz auf den Schirm hatte, wie weit es eigentlich ist.
Am nächsten Tag wartet direkt das nächste Highlight. In Usbekistan haben wir in Khiva ein supernettes französisches Paar getroffen, nur ein bisschen älter als Jack und ich. Er ist Fotograf und wir haben seitdem immer die Reise der Anderen verfolgt. Zufällig sind sie jetzt auch in Kuala Lumpur und wir haben uns verabredet, um zusammen eine der größten Sehenswürdigkeiten der Stadt, die Batu Caves, anzusehen. Sie kommen etwas spät, aber das ist nicht schlimm. Nach gestern habe ich sehr viel Verständnis, außerdem habe ich noch genug Blogtexte zum Aufarbeiten. Daher kommt mir die ruhige Zeit sehr gelegen. Ich treffe noch einen Australier mit einer sehr interessanten Kamera und schon ist der Rest da. 
Die Batu Caves sind Kalksteinhöhlen in circa 100 Metern Höhe über dem Boden. Dort hoch geht es über 272 bunt bemalte Treppenstufen. Innerhalb der Höhlen befindet sich ein hinduistischer Tempel. Ein Teil ist nach oben geöffnet und lässt das Sonnenlicht hinein, ein wirklich beeindruckender und schöner Ort. Um die Treppen herum sind weitere Tempel und eine große Statue. Allerdings ist hier nicht alles so schön und der Tourismus hinterlässt seine offensichtlichen Spuren. Straßenhändler verkaufen Taubenfutter und Touristen kaufen dieses säckeweise und verteilen es überall. Der Boden vor den Treppen ist voller Tauben und ihrer Exkremente, und regelmäßig treiben sowohl Kinder als auch Erwachsene ihre zweifelhaften Spiele mit den Tauben. Auch leben an dem Berg eine Menge Affen, wohl genährt von Touristen. Die Treppen sind voll von ihnen, und da sie wissen, dass Touristen Essen bedeuten, sind sie teilweise sogar ziemlich aggressiv, klauen Flaschen oder andere Dinge, die danach als Müll einfach herumliegen. Ein paar gute Fotos konnte ich machen. Danach werde ich von einem Affen angegriffen und trete lieber meinen Rückzug in die Sicherheit an. 
Eigentlich bin ich nach all den Tagen voller Essen permanent satt, aber zum Mittagessen gehen wir in ein Bananaleaf Restaurant, etwas, was ich auch noch unbedingt machen wollte. Dabei werden auf einem großen Bananenblatt, mehrere Arten Gemüse, ein großer Haufen Reis und verschiedene Saucen serviert. Besteck gibt es keines, die Saucen und der Reis werden mit den Händen vermischt und dann gegessen. Sehr lecker und auf jeden Fall eine Erfahrung wert. Zum Abschluss des Tages fahren wir noch zu den Petronas-Türmen und der angeschlossenen Shoppingmall. Wir schlendern etwas herum, schauen uns noch die Wasser- und Soundshow an, danach geht es nach Hause.
Nach so viel Sightseeing brauche ich eine Pause, und außerdem habe ich das meiste Schöne und Interessante bereits gesehen. Endlich schaffe ich es, alle Blogs auf Stand zu bringen und nach Hause zu schicken. Danach sehe ich durch Zufall, dass in direkter Nähe ein großes internationales Badmintonturnier stattfindet. Die Entscheidung fällt schnell und ich buche mir ein Ticket. Am Abend bin ich zum Essen in einem Seafood-Restaurant mit der gesamten Familie eingeladen. Ich hätte besser etwas früher zum Badminton gehen sollen, um dort mehr Zeit zu haben, denn die Verabredung wird von 8 auf Viertel vor sieben geschoben. Aber kein Problem. Ich habe trotzdem meinen Spaß dort, und netterweise werde ich sogar noch von der Mutter von Natalia zum Restaurant, das am anderen Ende von Kuala Lumpur ist, mitgenommen. Vor Ort gibt es allerlei Köstlichkeiten, unter anderem Krabben. Ich habe noch nie solch große Krabben auf dem Teller gehabt, und irgendwie fühlt es sich falsch an, sie zu essen. Dazu kommt, dass ich gar keine Ahnung habe, wie ich sie essen soll. Ich fühle mich wieder wie der kleine Jonas damals, der seine Shrimps nicht pellen kann und sie von seiner Mutter serviert bekommt.
Mama, wo bist du jetzt? Hilfe!
So konzentriere ich mich lieber auf die anderen Dinge auf dem Tisch. Der Fisch schmeckt ohnehin besser und ist deutlich einfacher zu essen. Ein weiterer Tag mit viel zu viel Essen geht zu Ende.
Am Tag vor der Abfahrt geht es noch einmal in die Innenstadt. Beim Decathlon kaufe ich ein paar Kleinigkeiten für die letzten Tage und schaue mir danach China Town an. Hier gibt es reihenweise gefälschte Markensachen, nichts wirklich Interessantes. Ich glaube, bevor dieses Viertel für den Tourismus erschlossen wurde, muss es deutlich interessanter gewesen sein. Aber das gilt wohl für viele Orte. An einem Stand schaue ich mir einfach nur aus Interesse gefälschte Uhren an. Dass ich nur schauen will, wird nicht verstanden, sondern als Verhandlungstaktik interpretiert. Als ich dann wirklich gehe, ohne Anstalten zu machen, irgendetwas zu kaufen, werden mir noch schnell ein paar wütende Beleidigungen hinterher geworfen. Das Leben hier muss nicht wirklich erfüllend sein. Etwas angenehmer ist es im Handwerkshandel um die Ecke. Wirklich viel Selbstgemachtes gibt es hier auch nicht, stattdessen nur die üblichen billigen Souvenirs, aber zwischendurch gibt es doch ein paar nette Sachen, und vor allem wird man fürs Bummeln nicht beleidigt, sehr angenehm. Am Abend gibt es nochmal Essen mit allen zusammen, bevor ich etwas traurig meine Sachen packe, um die Abfahrt am nächsten Tag vorzubereiten. Meine gewisse Reiseverdrossenheit und Sehensucht nach Hause wurde hier gestillt, einfach weil es sich wieder nach Familie angefühlt hat.
Zurück zum Anfang