Wenig überraschenderweise merke ich direkt beim aufwachen, wie gut acht Stunden Schlaf im Vergleich zu meinen sonst kürzeren Nächten wirken. Es ist wieder kalt draußen, ich habe aber alles im Zelt und esse mein Müsli im Schlafsack. Danach packe ich wie immer sehr gehetzt ein, aber heute Morgen ist es etwas anders. Mein Zelt ist eingepackt, die der anderen stehen noch. Ich bin ganz verwundert, ist dies der erste Morgen wo nicht auf mich gewartet werden muss? Der Rest ist ebenso überrascht, Basil muss seine Dehn Session ausfallen lassen, die er in Ruhe machen wollte, während ich packe. Ein paar Witze meinerseits später geht es los. Nicht nur bin ich heute schnell im packen, auch auf dem Rad läuft es richtig gut. Die erste Stunde mache ich Tempo, wir fliegen über den schnurgeraden Highway. Trotz Höhenmeter kommen wir auf einen Schnitt über 21 km/h, wieder bin ich überrascht. Eigentlich wollten wir nach dieser Distanz unseren Café Stopp machen, es ist aber erst 9 Uhr und nichts gutes in der Nähe also fahren wir noch weiter.
Es geht runter von der Hauptstraße und die Geschwindigkeit sinkt. Die Nebenstraße wird schnell ein Schotterweg, was verwunderlich ist. In Komoot sollte diese "Straßenbelag" haben. Wir sehen große Kohle-Brocken auf der Straße, die ersten Zeichen der späteren Prägung der Landschaft. An einer LKW Waage halten wir an, seit Tagen gibt es eine Diskussion über die Gewichte der Räder. Zu einer Lösung kommen wir nicht, die Waage zeigt für alle Fahrer Rad Kombinationen 80 kg an. Wir unterhalten uns mit dem jüngeren Angestellten der an der Waage sitzt. Er ist nach einem türkischen Khan benannt, sein Vater sei türkischer Nationalist. Er wirkt nicht gerade überzeugt, dass dies eine gute Eigenschaft ist.
Ich war überzeugt heute eine SIM-Karte für mein Handy zu bekommen, wir fahren jedoch durch das tiefste Hinterland, selbst kleine Dorfläden sind nicht mehr zu finden. Wir halten in einem Dorf, die Stadthalle scheint auch das örtliche Café zu sein. Wir trinken wir der Rest der Besucher schwarzen Tee, unterschiedlicher könnten wir aber nicht sein. Unterschiede kommen auch bei den Toiletten zu Tage. Frauen sind hier nicht zu sehen, die einzige Toilette ist ein Pissoir. Es ist trotzdem nett, unsere Tees bekommen wir am Ende geschenkt.
Schon vorher haben wir gemerkt, dass die eigentlich grüne Landschaft durch den Tagebau zerklüftet ist. Ein ordentliches Komoot Special bringt uns über einen nicht vorhandenen Weg durch einen Wald. Jedenfalls in Komoot ist dort ein Wald. In der Realität fahren wir hinab in eine Tagebau Grube, vorbei an Durchfahrt verboten Schildern. Wir sind inzwischen zu weit um umzukehren. Auf der anderen Seite geht es direkt wieder hoch und heraus, danach fahren wir auf einer richtigen Straße weiter. Grundsätzlich ist weder Komoot noch meinem Wahoo zu trauen, viele der eingezeichneten Straßen sind mehr oder weniger glatte Schotterstraßen.
Mehrmals kommen wir in Ministaus hinter Tierherden, außer uns sind aber natürlich keine anderen Fahrzeuge zu sehen. Einmal jedoch kommt noch ein großer Betonmischer dazu, es gibt einen richtigen Stau im Hinterland. Auch eine lustige Erfahrung.
Schön ist das Ganze aber nicht anzusehen, die Zerstörung der Umwelt erinnert mich an den deutschen Tagebau. Es ist bemerkenswert, wie weit alle Probleme zu Hause während der Reise in den Hintergrund getreten sind. Auch wenn dieses Verschließen und weg Sehen nicht die richtige Herangehensweise ist.
Irgendwann kommen wir in ein größeres Dorf und werden in ein Restaurant gelotst. Es gibt Köfte für den Rest und Sandwich mit Ketchup und Käse für mich. Im zweiten Salat sind Chilis die aussehen wie Paprikas. Ich kann scharfes Essen ganz gut ab, diese Chilis bringen mich aber an meine Grenzen. Der Getränke Kühlschrank wird öfter aufgesucht, die Chilis beiseite sortiert. Die Kommunikation hier läuft über Google Übersetzer, man ist trotzdem sehr interessiert an uns. Irgendwann kommt ein Mann und drückt uns ein Handy in die Hand. Am Hörer ein Verwandter in Deutschland. Ein kurzer Austausch von Höflichkeiten, ich erzähle von unseren Reiseplänen. 
Die Gastfreundschaft wird immer größer, ein Mann sieht uns auf dem Rad vorbei fahren steigt in sein Auto kommt hinterher und probiert uns zu überzeugen, dass wir hier falsch sind. Radfahrer in diesem weit entfernten Gebiet sind sehr ungewohnt. Wir versichern, dass alles seine Richtigkeit hat und wir gerne stundenlang auf abgeschiedenen Schotterwegen durch die Gegend fahren. Das beruhigt ihn. Am Ende erwähnt er noch das Champions League Finale morgen in Istanbul. Damit setzt er einen gefährlichen Floh in unsere Köpfe.
Nach einem brutalen Tag mit über sechs Stunden Fahrzeit bei heißen Temperaturen sitzen wir beim Abendessen unterhalten wir uns  und überlegen wie wir es dorthin schaffen. Bis nach Istanbul sind es noch 160 km und eine Menge Höhenmeter. Eigentlich wäre es doch cool das Spiel in Istanbul bei einem Public Viewing zu sehen. Der Plan einfach morgen komplett durchzufahren wird vorgeschlagen, ich bin natürlich dabei. Das Fußballspiel ist mir egal, lange Strecken auf dem Rad mache ich aber immer gerne. Was ich nicht so gut finde ist der Plan um 4 Uhr aufzustehen. Wir machen uns nach dem Essen schnell auf den Weg um noch ein paar Kilometer zu fahren. An der Seite der Straße wird gerade ein neues Haus gebaut. Kurzentschlossen schlagen wir in der Baustelle unser Lager auf. Keine Zelte sondern nur eine Folie auf dem Boden um unsere Isomatten zu schützen sollte ausreichen. Mit Besen fegen wir noch schnell den Untergrund sauber, danach legen wir uns hin. Der Rest ist schon selig am schlafen. Ich schreibe noch "schnell" meinen Block des Tages, nur um danach mit Bestürzung festzustellen, wie spät es schon ist.
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