Die obligatorische Nudelsuppe zu finden, fällt heute schwieriger als sonst. Ich muss etwas umherlaufen und suchen, bis ich einen Laden finde, der geöffnet hat. Unterweg sehe ich eine Vielzahl geschlossener Restaurants. Die Spuren des letzten Abends, Zigarettenstummel, Servietten, Essensreste und anderer Müll liegen wild verstreut auf Boden und Tischen. Eine Eigenart, an die ich mich noch gewöhnen muss. Die Suche hat sich aber gelohnt, ich bekomme eine interessante Nudelsuppe mit Pfefferminz darin. Eine Kombination, die ich so vorher auch noch nicht hatte. Ich bestelle mir ein gebratenes Ei dazu und vergesse meine übliche Anmerkung, dass ich bitte kein Fleisch haben möchte. Natürlich sind mehrere Stücke in der Suppe, nur ist es jetzt auch zu spät, um sich noch umzuentscheiden. Wegwerfen will ich sie auch nicht, also Augen zu und durch. Ich mache noch einen kleinen Einkauf. In den letzten Tagen funktioniert meine WeChat-App zum Bezahlen nicht so richtig, also bin ich nicht ganz so gut mit Snacks ausgestattet wie sonst. Ich halte das aber für kein Problem, schließlich gibt es genug kleine Städte entlang des Weges (denke ich). Komoot will mich nicht über die Straße fahren lassen, auf der ich die letzten Tage unterwegs bin. Stattdessen soll ich auf eine kleinere Nebenstraße geroutet werden. Diese sieht aber nach einer Menge Höhenmeter aus. Ich probiere, schlauer zu sein und auch ohne genau zu wissen, was auf mich zukommt, die gewohnte G213 Straße zu nehmen. Ich fahre los. Normalerweise habe ich immer alles genau geplant und weiß, wann welche Anstiege kommen. Heute ist das nicht so und ich hoffe einfach, eine Menge Höhenmeter einzusparen. Der Wunsch geht mir leider nicht in Erfüllung. Im Vergleich mit einem anderen Radfahrer auf der anderen Route habe ich am Ende genauso viele, wenn nicht sogar mehr Höhenmeter. Aber es kommt noch schlimmer, der Wind ist so stark, dass ich kaum von der Stelle komme. Selbst auf den kurzen Bergabstücken geht es nur mit ordentlichem Einsatz voran. Zusätzlich ist der Charakter der Straße heute ein ganz anderer. Vorher war sie immer eine Art Landstraße, die durch viele kleine Siedlungen hindurchgeführt hat. Heute ist sie wie eine Autobahn vollkommen isoliert von der Außenwelt. Ich bekomme langsam Hunger, kurz darauf kommt ein Schild „next exit in 15 km“. Bei dem Wind und dem Höhenmeter weiß ich, bis zur Nudelsuppe ist das noch ziemlich weit.
In der kleinen Stadt angekommen sieht es aber auch nicht viel besser aus. Irgendwie wirkt alles etwas verlassen oder verschlafen. Ein etwas seltsamer Supermarktverkäufer starrt mich erst seltsam an und probiert mir danach Reiskekse zu verkaufen. Ich ziehe lieber weiter und suche nach einem geöffneten Restaurant. Erst spät und auf der zweiten Runde habe ich Erfolg, eine ältere Dame kocht in einer Art dunkler, kleinen Garage. Es gibt aber eine richtig gute Nudelsuppe, fast eine der besten bisher in ganz China. Neben an ist sogar ein kleiner Supermarkt. Mit vollem Magen und vollen Taschen geht es zurück auf die Autobahn, die anscheinend gesperrt ist. Ich mache auf dummen Touristen und fahre einfach durch. Später kommen andere Autos und LKWs von hinten. Warum die Schilder und Barrikaden dort stehen, habe ich nicht verstanden.
Nach weiteren Anstiegen kommt endlich eine lange Abfahrt, mit toller Aussicht, die auch nicht so extrem vom Wind beeinflusst ist. Am Fuße des Berges treffe ich einen chinesischen Reiseradler. Es wird sich kurz verständigt. Permament dabei sein Livestream, auf dem er sich ins Internet broadcastet, während er auf dem Rad sitzt, eine interessante Erfahrung. Er gibt mir einen Apfel und eine Cola. So viele Sachen habe ich nicht mehr. Ich tausche gegen einen Müsliriegel. Danach fährt er weiter, später überhole ich ihn noch.
Eigentlich hätte ich bei dem sonnigen tollen Wetter gerne gezeltet. Während des gesamten Tages habe ich eine Vielzahl perfekter Plätze gesehen. Als ich mein geplantes Pensum geschafft habe, bin ich aber wieder voll in der Stadt. Schön ist es hier nicht und an Zelten ist aufgrund der Enge der Bebauung und der ganzen Landwirtschaft nicht zu denken. Ich checke also erneut in ein Hotel ein. Der Preis ist mit 6,50€ sehr gut. Dafür stinkt es ziemlich nach Rauch im Zimmer. Ich reiße erstmal das Fenster auf. Nach der Dusche fahren wir zum Polizeipräsidium, um mich zu registrieren. So sitze ich in einem kleinen Raum, es wird geraucht und ich frage mich erneut, was das eigentlich alles soll. Diesmal fülle ich keinen Zettel aus, dafür kommen die Polizisten irgendwann mit ins Hotel. Dort vergehen weitere 15-20 Minuten, während eine Vielzahl von Fotos von meinem Pass gemacht werden. Ich frage mich, wofür all diese Fotos gebraucht werden. Am Ende ist es aber in Ordnung, ich bekomme endlich meinen Pass wieder und bin frei. Nebenan gibt es noch etwas zu essen, Reis mit Tofu. Es ist eines der Restaurants, in denen man sich das Gericht entsprechend der Zutaten an einem Kühlschrank wünschen kann. Ich zeige nur auf den Tofu, am Ende ist noch Hack mit dabei. Ich habe wohl einen unfreiwilligen Fleischtag heute. Das Gericht ist aber lecker, ich besorge mir im Supermarkt daneben noch einen Tee aus der Dose, eine Entdeckung vom Vorabend und gehe zurück auf mein Zimmer.

Zurück zum Anfang