Die Nacht in unserem Raum war doch deutlich kühler als erwartet. Der Ofen war aus und so war es irgendwann richtig kalt. Ich hatte meinen Schlafsack erst nur als Decke, am Morgen war ich komplett eingepackt und hatte noch meine Jacke an. Während ich noch in meinen Schlafsack gerollt, wie ein grauer Wurm, meine Luftmatratze einpacke kommt auch schon die Besitzerin mit dem Frühstück. Es gibt Porridge mit frischer Kuhmilch. Sehr lecker, wenn auch eher eine kleine Portion im Vergleich zu unseren Campingportionen Morgens. Wir hatten erst etwas Sorge, dass das Porridge mit Buchweizen ist, aber es waren normale Haferflocken und so nehmen wir noch eine Portion Nachschlag. Außerdem gibt es Brot und seltsame Marmeladen. Künstlicher Glibber der genauso komisch schmeckt wie er aussieht. Der Orangenglibber ist gabz seltsam, der Rote schmeckt nach Beeren und ist noch halbwegs genießbar.
Annick und ich holen noch Wasser aus dem Brunnen in der Nähe des Hauses, füllen undere Flaschen dann geht es los. Im Dorf sind Kinder die nach Schokolade fragen. Als wir verneinen, wird ein Stein geworfen. Er trifft mich am Bein, es ist nicht schlimm, aber den Fakt dass ich mit einem Stein beworfen wurde finde ich gar nicht lustig. Der Junge aber schon ziemlich. Es reiht sich zu den Jungen die gestern den Laden nicht öffnen und dem Jungen der unbedingt auf das Frontglas meines Objektivs fassen wollte.
Das erste Stück unserer Strecke heute ist flach und leicht bergab. Wir haben Rückenwind und Jack macht ordentlich Tempo. Für mich ist es kein Problem, aber ich sehe, dass Annick jetzt schon am Kämpfen ist. Es ist zu früh um sie abzuhängen und der Tag noch viel zu lang und anstrengend um sie kaputt zu fahren. Rücksichtnahme ist gefragt. Also lasse ich Jack vorfahren und gebe Annick Windschatten. Nach ihrem extremen Einbruch gestern, hatte sie Unmengen an Tee getrunken, aber war kein einziges Mal in der Nacht auf Toilette. Sonst geht sie wohl öfter. Sie war also stark dehydriert und wahrscheinlich auch unterzuckert. Heute erzählt sie uns, dass sie unsere Namen vergessen hatten und wir haben bei ihr auch deutliche Probleme mit dem Sprechen bemerkt. Es war ziemlich besorgniserregend und so war ich wirklich froh, dass sie heute überhaupt fahren konnte.
Wir genießen lieber den Ausblick auf den See, selbst als der erste der beiden Anstiege beginnt. Von knapp unter 4000 steigen wir auf 4250 auf, nur um auf der anderen Seite direkt wieder herunter zu fahren. Zum Glück ist auf dem gesamten ersten Teil die Straße gut asphaltiert und trotz unserer etwas verspäteten Abfahrt, liegen wir sehr gut in der Zeit. Bergab können wir es richtig laufen lassen, ein tolles Gefühl dass wir auf den schlechten Straßen Tadjikistans lange nicht mehr hatten. Mein Wahoo zeigt mir die aktuelle Aufstiegs- bzw. Abstiegsrate an. Würden wir von unserer aktuellen Höhe zurück auf Meereshöhe abfahren, würden wir trotz der wirklich hohen Geschwindigkeit um die zwei Stunden brauchen. Kurz vor dem Ende des Passes, überholt uns ein tadjikischer Lieferwagen, darin die zwei Koreaner und ihre Fahrräder. Sie haben jemanden gefunden, der sie hoch bis zur tadjikischen Grenze fährt.
Eigentlich hatten wir im Tal eine ordentliche Mittagspause mit unserem mitgebrachten Brot geplant, hier ist aber alles extrem ausgesetzt und der Wind stark. So essen wir nur schnell ein paar Kekse und machen uns an den zweiten Anstieg. Die Umgebung ist noch einmal mit die Schönste, die wir im gesamten Pamir Gebirge gesehen haben. Die Berge sind teilweise rot, immerwieder ist das Gestein auch grünstichig. Die Straße ist inzwischen standesgemäß für Tadjikistan auch wieder eine Schotterstraße, immerhin ist sie nicht ganz so schlimm ausgewaschen wie sonst. Auch dieser Anstieg läuft gut und so sind wir bald am ersten tadjikischen Checkpoint. Der Soldat fragt ob wir Zigaretten haben, wir verneinen, das Tor macht er uns trotzdem auf. In einem Gebäude müssen wir unsere Pässe vorzeigen, händisch trägt der Beamte unsere Daten in ein Buch ein. Danach können wir gehen, einen Stempel gibt es aber nicht. Jack und ich setzen uns draußen in die Sonne und essen unser Brot. Annick kommt auch bald und gesellt sich dazu. Der zweite Teil der Grenzüberquerung ist interessanter. Wir fahren einmal um die Ecke und dort ist eine erneute Kontrolle. In einem kleinen Verschlag sitzt ein kleiner runder Tadjike und daneben stehen zwei weitere. Hier gibt es wohl die Stempel. Unsere Daten werden erneut in ein Buch eingetragen, den Stempel gibt es aber nicht. Stattdessen zeigt er auf ein Migrationspapier und fragt wo unser ausgefülltes ist. Wir wissen nicht was das soll und wo es das geben sollte. Die Erklärung kommt kurz darauf, weil wir das Papier nicht haben sollen wir fünf Dollar Strafe zahlen. Die Beamten wollen einfach etwas Geld von uns erpressen, von diesem Zettel haben wir noch nie etwas gehört. Also verneinen wir freundlich lächelnd jede Zählung, während unser gegenüber lächelnd darauf besteht. Beiden Seiten ist klar was hier läuft. Sie zeigen uns noch ein Buch mit ausgefüllten Zetteln, als wir immernoch nicht zahlen wollen geben sie auf. Unsere Pässe werden gestempelt, nicht ohne dass die Männer auf unschöne Weise realisieren, dass Annick eine Frau ist und total erstaunt darauf bestehen, dass sie ihren Helm auszieht. Danach zeigen sie noch mit ihren Armen wie groß und breit sie ist. Es wirkt alles ziemlich erbärmlich, ich glaube dass das Ego der drei etwas angekratzt war. Naja es wird seine Gründe haben, warum sie ausgerechnet an den entlegensten und wenigsten frequentierten Grenzübergang des Landes versetzt wurden.
Nach dem Checkpoint geht es nochmal ein steiles Stück hinauf. Auf dem Pass stehen in jeder Richtung Säulen und Metallplatten in Formen der Länder in die man gerade fährt. Ganz besonders Highlight für mich ist aber die Statue eines Marco Polo Bocks. Ich habe diese nur in fremden Reiseberichten und auf Fotos gesehen. Sie war für mich immer ein Zeichen großen Abenteuers und einer weit abgelegenden Region. Jetzt selber hier zu sein ist wirklich surreal und macht macht wirklich emotional. Viel Zeit lassen wir uns aber nicht, es ist kalt und so werden lediglich ein paar Fotos gemacht, dann geht es in die Abfahrt.
Sie Abfahrt ust interessant. Roter lehmiger Matsch wechselt sich mit dicken Steinen, Schnee, Eis und kleinen Wasserrinnsalen ab. Man muss aufpassen wo man entlang fährt und innerhalb kürzester Zeit, sind unsere Räder und wir eingesaut. Beim Losfahren vom Pass habe ich das Gefühl etwas vergessen zu haben, weiß aber nicht was. Beim nächsten Fotostopp bemerke ich es dann. Ich habe die Schutzkappe nicht wieder auf das Objektiv gepackt und so zwei Dreckspritzer auf der Linse. Leicht panisch probiere ich sie mit meinen Handschuhen zu entfernen, verteile den Dreck so aber nur noch mehr. Am Ende hilft ganz wenig Wasser und mein Buff. Morgen muss ich mich aber nochmal nach etwas geeigneterem umsehen. Etwas Angst, das Objektiv beschädigt zu haben, habe ich schon, Testfotos sehen aber ganz normal aus. Also geht es weiter bergab, immer mit der Wahl dreckig zu werden oder auf unter Schnee verstecktem Eis weg zu rutschen. Zum Glück ist es nicht so super lange matschig.
Wir kommen an der alten kirgisischen Grenzstation vorbei, die aber nicht mehr in Betrieb ist. Stattdessen müssen wir 20 Kilometer durch Niemandsland bis zur neuen Station abfahren. Die Straße ist wie immer richtig schlecht, diesmal immerhin ohne Waschbrett, dafür aber super steinig und teilweise schon fast technisch. Egal welches Vehikel man hier hinunter fährt, Schuldgefühle sind danach gewiss. Jack und ich bemerken, dass es schon viertel nach drei ist, wir aber noch 12 Kilometer bis zur Grenzstation haben. Wir fahren etwas schneller, damit wir vor vier Uhr dort sind. Die Eile ist aber unbegründet. Vor verschlossenen Toren stehen die zwei Koreaner und eine große Gruppe Russen. Lange Zeit waren die Grenzen geschlossen, erst seit kurzem dürfen nur Touristen wieder hindurch. Um jedoch passieren zu dürfen, musste man in der Vergangenheit dem krigisischen Ministerium für Tourismus eine Email schreiben. Jetzt geht es über Reisegesellschaften. Wir haben zum Glück einen Kontakt bekommen, der uns kostenlos auf die Liste gebracht hat. Bis zur Grenze hatten wir noch Sorgen, ob es geklappt hat, als wir dort aber ankommen, zeigen wir außerhalb vom Tor einem Wächter unsere Pässe und können, nachdem er einmal auf dem Handy ein paar Listen durch geht quasi direkt weiter. Der Rest schaut und neidisch hinterher. Die Russen haben inzwischen auf Campingkochern angefangen Kaffee und Tee zu kochen.
Innerhalb der Grenze läuft alles ganz normal. Es ist alles viel ordentlicher und zivilisierter als auf der tadjikischen Seite. Wir sitzen in einem wirklichen Grenzhaus, unsere Pässe werden gecheckt und Fotos von uns gemacht, wie an allen anderen vorherigen Grenzen auch. Keine drei wahrscheinlich unter Drogeneinfluss stehenden Männer schreiben irgendwas in ein Buch und probieren Geld zu erpressen. Andererseits haben wir schon gehört, dass auch an dieser Grenze fehlende Meldungen einfach mit Bestechungen geregelt wurden. Auf mich wirken die Grenzbeamten nicht so, als würden sie sich durch Geld kontrollieren lassen, vielleicht ist es aber auch nur meine idealistische Weltanschauung. Nachdem wir unsere Stempel bekommen haben, will einer der Beamten, dass wir unsere Taschen öffenen und er sie durchsuchen kann. Schon nach der ersten Tasche bei Jack verliert er die Lust, lässt sich einfach nur erklären was wo drin ist und ist damir zufrieden. Ich zeige ihm meinen offenen Schlafsack Packsack und eine Gepäcktasche das reicht ihm. Stattdessen fragt er lieber, ob sir Tadjikistan mochten. Wir machen alles wieder zu und rollen vom Gelände.
Unsere Zeit im Oamir Gebirge hat damit ein Ende. Wir fahren auf einer schnurgeraden Straße aus den Bergen heraus, die Sonne geht langsam unter, im goldenen Licht sieht es genial aus. Mich erfasst neben Freude und der Fülle an Erinnerungen an die Zeit in Tadjikistan auch eine gewisse Melancholie. Das Heute war der letzte Tag an dem ich zusammen mit Jack fahren werde. In Sary Tash trennen sich unsere Wege. Er fährt weiter hoch in Kirgistan Richtung Bishkek, der Hauptstadt. Ich biege nach rechts ab und fahre nach China. Wir machen Pläne, ob wir uns nicht vielleicht in Südostasien wieder treffen und gemeinsam nach Singapur fahren, theoretisch könnte Vietnam ein guter Treffpunkt sein, aber dafür müssen wir erst noch eine Menge Planungsarbeit mit Internet Empfang machen. Er genießen wir die entspannte Abfahrt, bis plötzlich der Wind dreht. Auf einmal kommt er von vorne und die letzte 15 Kilometer sind noch einmal richtig harte Arbeit. Teilweise ist es anstrengender als die Anstiege. Auf der ganzen Fahrt überholt uns niemand, alle Reisegruppen müssen also an der Grenze feststecken.
Am Ende kommen wir aber doch noch an und finden ein schönes Guesthouse. Mit 15€ ist es teurer als das was wir sonst bezahlt haben, als wir den Raum sehen, wissen wir aber warum wir mehr bezahlen. Außerdem gibt es WLAN, etwas was wir seit Duschanbe nicht mehr hatten. Das größte Highlight ist aber die Dusche. Sie ist super stark und richtig warm, eine Wohltat. Ich dusche extra noch vor dem Abendessen und das war eine gute Entscheidung, danach ist sie wieder kalt. Das Abendessen ist lecker, dazu gibt es große Mengen an Tee. Alle sind zufrieden.

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