Das Müsli genieße ich bei bester Aussicht. Die Sonne ist schon da, wir sitzen alle oberkörperfrei beim Frühstück. Zum Glück kommt der Besitzer der Ruine nicht vorbei, sagen wir. Es scheint als wurde ganz frisch mit den Renovierungsarbeiten begonnen, eine neue Tür wurde aufgebaut und in der Nacht sind mehrere Solarlampen am Gebäude angegangen. Beim Packen denke ich, dass ich dieses Mal wirklich gut in der Zeit liege. Plötzlich sind die beiden doch wieder vor mir fertig. Sie haben weniger Sachen dabei als ich, können alle Dinge einfach in ihre Packtaschen werfen und diese ans Rad schnallen. Bei mir hat jeder Gegenstand einen genauen Platz. Halte ich meine Packweise nicht ein, reicht mein Taschenvolumen nicht aus. Irgendwann bin auch ich fertig, wir rollen die Auffahrt herunter um wieder auf die Straße zu kommen. Unten neben der Auffahrt mäht ein Mann Rasen. Er steht zum Glück mit dem Rücken zu uns, sieht nicht wie wir die Auffahrt verlassen. Glück gehabt.
Vier Kilometer später kommen wir in eine kleine Stadt es gibt ein Hotel und laut Beschilderungen sogar ein Cafe, sowie einen Supermarkt. Am Hotel fahren wir vorbei, der Rest klingt deutlich einladender. Dafür müssen wir aber einen steilen Anstieg hinauf. Der Rest ist am rasen, ich lasse mich etwas zurückfallen, es ist noch zu früh am Morgen. Oben dann die Ernüchterung, kein Supermarkt vorhanden und das Café ist geschlossen. Wir fahren zurück zum Hotel, die Bedienung hatte uns beim ersten Vorbeifahren schon gesehen und empfängt uns gerne. Es gibt einen Tee und WiFi. Der Kontakt zur Außenwelt ist wieder hergestellt. Weitere Annehmlichkeiten wie fließendes Wasser und eine Toilette nehmen wir auch sehr gerne in Anspruch. Wir bleiben etwas länger dort, mit 60 km müssen wir heute nicht so weit fahren. Trotzdem brechen wir auf, direkt danach kommen wir an einem geöffneten Café vorbei. Etwas mehr Erkundung der Umgebung wäre gar nicht schlecht gewesen.
Auf der Straße sehen wir immer wieder lebendige Schlangen. Wir sind schnell unterwegs, es wird sich immer etwas erschreckt, wenn sich die vermeintlichen Stöcker auf der Straße plötzlich bewegen. Später sehen wir auch noch eine Schildkröte. Erstaunlich schnell verschwindet sie jedoch im Unterholz.
Unser Offroad Trail biegt wieder von der Straße ab und ein weiterer perfekter Schotterweg schließt sich an. Wir passieren eine fragwürdige Brücke, nur ein schmaler Weg ist befahrbar, die andere Seite ist gesprengt. Ein offizielles Schild, dass anzeigt dass dies der richtige Weg ist, das Befahren der Brücke aber auf eigene Verantwortung erfolgt, trägt nicht zum Vertrauen in das Bauwerk bei. Wie alles auf der Tour funktioniert es natürlich trotzdem irgendwie und es geht direkt weiter in einen Tunnel. Der Rest ist mir schon voraus, mein Fotostopp hat länger gedauert. Laut höre ich die Fledermäuse im Tunnel, kann jedoch keine sehen. Der Untergrund erfordert zu viel Aufmerksamkeit. Dort sehe ich aber immer wieder große Pfützen aus Fledermaus Mist. Ich probiere bei kaum vorhandenen Licht im Slalom um diese herum zu kurven. Heute gibt es jedoch nur einen Tunnel, gestern war die Dichte der Tunnel deutlich höher.
Basil hat auf dem Schotterweg einen Platten, ein ziemlich großes Metallstück steckt im Reifen. Bis wir den Reifen wieder auf der Felge haben zerbrechen zwei Reifenheber. Mit ein paar Tricks, ist der Reifen plötzlich aber doch ganz einfach montiert.
Mein persönliches Highlight kommt aber erst später. Mir ist bewusst, dass wir über einen geschichtsträchtigen Weg fahren. Überall stehen Ruinen mit Schildern die ihre Geschichte erklären am Straßenrand. Ich würde mir gerne die Zeit nehmen und alle lesen, die Pausenzeiten hebe ich mir aber lieber für Fotostopps auf. Nach einer guten Weile kommen wir jedoch in eine große Ansammlung an Ruinen. Wir beschließen eine Pause einzulegen, etwas zum Mittag zu essen. Ich will außerdem die Umgebung erkunden und ein paar Fotos machen. Aus der Ferne betrachtet sieht alles nur verlassen und etwas heruntergekommen aus. Als ich hindurch gehe, sehe ich aber wieder die typischen Einschusslöcher. Zusätzlich löst ein Mahnmal und ein Kreuz mit Bildern gefallener Soldaten wie so oft in Bosnien ein bedrückendes Gefühl in mir aus. Die Siedlung scheint Opfer von Kämpfen gewesen zu sein, die Zerstörung ist groß. Nach meiner Tour sehe ich in der Ferne ein Paar zwischen den Ruinen. Sie sehen freundlich aus, ich frage bei ihnen nach was an diesem Ort passiert ist. Der Mann ist aus der Region und begeistert von der Geschichte. Er hält mir einen kleinen Vortrag, kennt den Zweck jedes Gebäudes. Alte Postkarten aus dem Internet zeigen den Zustand vor der Zerstörung. Die Ansammlung von Ruinen, war einst der größte Eisenbahnknotenpunkt der Region mit 14 Gleisen und einer Vielzahl an Weichen. Der gesamte Bahn Verkehr der Region lief über diesen Ort. Es gab neben dem Bahnhofsgebäude auch eine Schule, Wohnhäuser, eine Fabrik, ein Postbüro und wahrscheinlich noch mehr. Heute ist alles zerstört und verottet vor sich hin. Die Armee hat in einem Akt purer Zerstörungslust kurz nach Unterzeichnung des Friedensvertrags, alle Gebäude gesprengt. Von der Pracht vergangener Zeiten ist nichts mehr übrig. Spanische Soldaten haben die Häuser auf übriggebliebene Sprengladungen überprüft, ein großes "OK" an der Häuserwand zeigt, dass das Gebäude betreten werden kann. Geschichten wie diese machen mich nachdenklich, Bosnien hat mir gut gefallen, die noch sehr frischen Narben sind überall in Form von Ruinen zu sehen. Was in den Menschen noch übrig sein wird, muss viel schlimmer sein. Mein Aufenthalt war zu kurz um wirklich ins Gespräch mit lokalen Bewohnern zu kommen. Ich muss also wohl nochmal in dieses spannende Land zurückkehren.
Später im Hostel treffen wir zusätzlich Marin den verrückten Franzosen wieder. Noch etwas früher am Tag hatten wir überlegt, wo er jetzt sein könnte. Wir haben uns viel zu erzählen, der Besitzer des Hostels ist etwas überfordert mit der Anzahl an Fahrradfahrern, die wild am Geschichten erzählen sind während er sie eigentlich einchecken will. Später schlendern wir noch durch die Stadt. Ich esse ein geniales Eis, morgen muss ich mir alles noch in Ruhe ansehen.
Später liege ich im acht Mann Dorm, alle Fenster sind geschlossen und die Klimaanlage aus. Aus mehreren Betten ertönt lautes schnarchen, ich wünsche mich in mein Zelt in den Bergen zurück.
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