Heute wird ein langer Tag, ich probiere früh aufzustehen. Es funktioniert nicht wirklich, auch das packen dauert wie immer wirklich lange. Außerdem suche ich fast eine halbe Stunde lang mit wachsender Verzweiflung einen Briefkasten für meine Postkarten.
Davor verabschiede ich mich aber noch von Marin. Ich werde schneller als er Richtung Albanien fahren, da ich mich für einen Triathlon am Sonntag angemeldet habe und mich davor noch etwas erholen möchte. Außerdem brauche ich noch eine Badehose und eine Schwimmbrille. Die Verabschiedung fällt schwer, er ist mir wirklich ans Herz gewachsen. Er sagt mir wie inspiriert er von meiner Reise ist, ich bin mindestens genauso inspiriert von seiner Persönlichkeit. Radreisen mit einem perfekten Fahrrad, (in den meisten Bereichen) optimierter Packliste und praktischen aber teuren Ausrüstungsgegenständen ist einfach. Er zeigt, dass es auch so geht. Ein Lächeln und eine offene Haltung zu allem und jedem einen viel weiter bringen als das tollste Fahrrad es je könnte. Ich bewundere seine positive Art und seinen freundlichen Charakter. Falls du das hier lesen solltest: bon voyage et a bientôt mon ami. Man sagt, man sieht sich immer zweimal im Leben, wir haben uns schon dreimal gesehen. Wieso nicht noch ein viertes Mal.
Aus Dubrovnik geht es auf einer Landstraße immer gergauf. Übergewichtige Autofahrer hupen mich an. Dass ich auf dieser Straße fahren muss, ist mir deutlich unangenehmer als ihnen das Überholen sein sollte. Der Ausblick über die Stadt entschuldigt aber für alles.
Heute geht es wieder raus aus der EU. Ich verlasse Kroatien und fahre nach Montenegro. Ein letztes Telefonat nach Hause, dann geht es über die Grenze. Meinen Stempel bekomme ich in einer in die Jahre gekommenen Grenzstation, aber sie hat auch ihren Charme.
In Montenegro will ich Vorräte für den Abend und den Morgen einkaufen. Vor Ort fällt mir auf, alles hat zu. Es scheint Feiertag zu sein. Natürlich habe ich dieses Mal nicht genug essen. Entscheide mich also doch nicht zu campen und in einem günstigen Hostel zu übernachten.
Ich halte an einer Art Bar mit Außenbereich an, um im WLAN ein Hostel am Endpunkt meiner Tour zu buchen. Kaum stelle ich mein Fahrrad ab, werde ich angesprochen und nach meiner Herkunft gefragt. Als ich sitze geht das Gespräch weiter. Vier Männer am Nachbartisch scheinen sehr interessiert und stellen weitere Fragen. Auch wie ich zu Serbien stehe. Ich probiere mich neutral zu verhalten, Religion und Politik sind meistens Themen um die man in ungewohnten Gebieten einen Bogen machen sollte. Vorallem nach dem ich gesehen habe wie aktuell der Krieg und die Zerstörung in Bosnien sind, möchte ich nicht unbedarft etwas falsches sagen. Meine Neutralität wird nicht akzeptiert irgendwann wird mir quasi in den Mund gelegt ich würde Serbien nicht mögen. Es scheint die Meinung der Allgemeinheit zu sein, ich gehe einfach zu nettem lächeln und nicken über. Danach kümmere ich mich um meine Buchung und den Kontakt nach Hause. Als ich zahlen will sagt der Kellner, dass der Nachbartisch bereits meine Rechnung übernommen hat. Ich bedanke mich erfreut und ein neues Gespräch beginnt. Der Ton hat sich etwas verändert, sie sind nicht verärgert, dass Serbien schlecht ist, war aber nicht die Meinung der Allgemeinheit. Der Sprachführer der Gruppe kommt aus Serbien, der Einfall der Deutschen in den Weltkriegen scheint noch tief zu sitzen. Sein Großvater scheint im Krieg verstorben zu sein. Schuld seien die Deutschen. Ich bestreite nichts, dass ich aber eine andere Meinung als damals vertrete wird nicht wirklich akzeptiert. Ich bin zum Radfahren in den Balkan gekommen, nicht um zu Morden oder Gebiete einzunehmen. Meine Erklärungen werden nicht verstanden oder einfach überhört. Dass sich in den Jahren nach dem Krieg vieles in Deutschland verändert hat, scheint nicht klar zu sein. Dass viele junge Deutsche nie wieder an einem Angriffskrieg außerhalb deutscher Grenzen teilnehmen würden, wird nicht betrachtet. Auch meine Beteuerungen werden übergangen. Am Ende ist aber doch alles gut, am Tisch sitzen Vertreter aller Religionen wird mir erklärt und sie wollen Frieden. Ich sage wir sind doch alle Freunde. Es wird noch ein Bild gemacht, sich mit Namen vorgestellt, danach fahre ich weiter.
Um die Höhenmetern auf den letzten 22 Kilometern auf 300 zu halbieren, habe ich die Route umgeplant. Dafür fahre ich jetzt aber auf einer Hauptstraße entlang. Der Verkehr ist stark, dafür der Platz klein. Die Abgase stechen in der Nase, ich bereue nicht einfach die Höhenmeter gefahren zu sein. Am Ende werde ich aber belohnt, auf dem Berg ist ein alter Wasserpark. Ich mache viele Fotos, die Atmosphäre ist wirklich besonders. Ich würde gerne mein Rad stehen lassen und das Areal zu Fuß erkunden, es ist aber schon spät, ich muss langsam zu meiner Unterkunft, außerdem bin ich müde. Gleich an den Wasserpark schließt sich eine perfekte Abfahrt an. Serpentinenreich schlängelt sich die Straße herunter in die Stadt. Sehr glücklich komme ich in Budva an.
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