Die Nacht war etwas unruhig, ich hatte eine Mücke in meinem Moskitonetz. Erwischt habe ich sie trotzdem irgendwie nicht. Trotzdem geht es mir erstaunlich gut am Morgen. Am Vorabend habe ich schon gemerkt, dass dies nicht mein sauberstes Nachtlager ist, aber das Bild, das sich am Morgen ergibt, ist ziemlich übel. Das eigentlich weiß-pinke Kissen ist schwarz vor Schimmel. Ich glaube, auf der ganzen Reise hatte ich noch nie etwas so Schlimmes. Naja, morgen kann ich ja waschen.
Es gibt noch ein letztes Nasi Lemak. Danach macht Mohd noch ein paar Fotos an verschiedenen Orten von mir. Er hat eine Mtb/Bmx-Bahn für die Kinder im Dorf. Lustigerweise steht in direkter Nähe noch eine Zweite. Ich fahre einmal mit meinem Rad darüber und fühle mich zurückerinnert an den Start meiner Tour, an der ich auch etwas Ähnliches gemacht hatte. Er gibt mir noch einen Roti für unterwegs mit und danach mache ich mich auf den Weg in Richtung Singapur.
Ich habe den Wind im Rücken, es geht gut voran. Bis zur Stadtgrenze sind es nur 92 Kilometer. Mein wirkliches Ziel ist aber der Marina Bay Hafen mit seinem riesigen Hotel. Von dort muss ich dann nochmal 15 Kilometer auf demselben Weg wieder zurück. Für meine Zeit in Singapur kann ich bei einem ehemaligen Arbeitskollegen von meinem Onkel Dirk bleiben, ein sehr freundliches Angebot, da selbst das günstigste Hostel hier so viel kostet wie sonst ein ganzes Tagesbudget.
Beim Frühstück war es grau, aber sobald ich auf dem Rad sitze, ist es heiß. Gestern habe ich wenig gegessen, es gab einfach zu viel Essen die Tage davor. Das merke ich dann aber doch etwas, ich bin nicht ganz kraftlos, aber einfach müde. Je näher ich Singapur komme, desto hügeliger wird es. Außerdem nimmt der Verkehr zu. Nach knapp 80 Kilometern mache ich eine Mittagspause mit ordentlichem Essen – es gibt nochmal die letzten zwei Rotis und etwas Reis mit Gemüse. Das Ganze gibt Energie und gut gestärkt geht es auf die letzten Meter nach Singapur. Pünktlich zur Abfahrt fängt es an zu regnen, glücklicherweise nur kurz.
Die Grenze nach Singapur ist die verrückteste Grenze, die ich auf der gesamten Reise gesehen habe. Alles ist auf Effizienz ausgelegt. So können auch die Berufspendler, die aufgrund der niedrigen Preise in Malaysia leben, am Morgen sehr schnell auf die andere Seite kommen. Jedoch ist sie im harten Wettstreit mit dem ewigen Niemandsland zwischen Tadjikistan und Kirgisistan sowie der ebenfalls riesigen Grenze mit diversen Checkpoints von Kirgisistan nach China. Meinen Pass herauszusuchen dauert länger als alle Prozesse, und so stehe ich schnell in Singapur, allerdings ohne Einreisestempel. Diesen scheint es nicht mehr zu geben. Vor mir steht ein alter chinesicher Herr in der Schlange. Er hat ein Miniatur E-Bike und ein medizinisches Gerät am Rücken. Dazu trägt er Clickschuhe mit entsprechenden Pedalen. Als ich sehe, wie er schwankend den ebenfalls winzigen Seitenständer einklappt, bezweifel ich, ob das alles so eine gute Idee ist. Er fragt, wo ich herkomme. Ich probiere mein chinesisches Deutschland auszusprechen, aber er versteht mich nicht.
Ohne ein Grenzschild stehe ich plötzlich in Singapur. Das angekündigte Roaming meiner malaysischen SIM Karte funktioniert nicht, aber unterwegs komme ich an einem Laden vorbei und versorge mich mit frischem Internet. Danach geht es auf dem Wanderweg eines Begrünungsprojekts voran. Zwischendurch ist es schon ziemlich matschig und ich hoffe, dass mich der aufziehende Regen nicht erwischt. Plötzlich mündet der Weg einfach in einen Acker, zwei nette Frauen zeigen mir aber einen besseren Weg. Gerade als ich eine Brücke erreiche, öffnen die Wolken ihre Schleusen. So sitze ich eine gute Stunde herum und warte, dass der Regen abzieht. Inzwischen ist es aber so schwül, dass ich ohnehin pitschnass bin. Für den restlichen Weg fahre ich dann lieber doch anders. Eine Matschpackung für das Rad am letzten Tag muss nicht sein.
Es fährt sich aber besser als erwartet und ich nähere mich schnell dem Hafen. Die Häuser und Malls werden immer größer, es ist merklich: Hier gibt es eine Menge Geld. Und dann ist es so weit, der Moment, von dem ich neun Monate geträumt habe. Ich stehe am Hafen mit Blick auf das Marina Bay Sands Hotel, den Merlion Springbrunnen und die umliegenden Hochhäuser. Ich bin etwas ergriffen, aber ich glaube: Der ganzen Tragweite des Moments bin ich mir noch nicht bewusst. Mehr schlecht als recht probiere ich mit dem Stativ, der Kamera und der entsprechenden Handyapp Fotos zu machen. Wirklich zufrieden bin ich mit dem Ergebnis nicht. Netterweise bietet jemand an, ein paar Fotos von mir zu machen. Auf Grundlage dieser kann ich dann der nächsten Person erklären, wie ich es lieber hatte. Irgendwie ist es doch einfacher, wenn man selber die Fotos macht. Allerdings ist man dann so selten auf dem Bild. Es fängt wieder an zu tröpfeln, also mache ich noch auf den Weg zurück.
Inzwischen ist es dunkel, aber zum Glück geht es dann doch relativ schnell. Trotzdem bin ich vierzig Minuten zu spät, der Regen hat meinen Zeitplan kaputt gemacht. Laurenz und seine Frau plus ihr Sohn empfangen mich sehr freundlich. Auf dem Tisch steht bereits ein typisch deutsches Brotabendessen, dazu Käse, Eier und Nutella, außerdem griechischer Joghurt mit Obst, ein Traum. Direkt vor ihrer Terrasse im Innenhof des Komplexes liegt ein Pool. Ich kann mir die Chance nicht entgehen lassen und springe noch einmal hinein, bevor es das Essen gibt.
Sie sind neugierig und haben eine Menge Fragen. Es macht Spaß, ihnen von meinen Abenteuern zu erzählen und Fotos zu zeigen. Die Tage werde ich wohl noch bei der deutschen Schule hier einen Vortrag über meine Reisen halten. Der Tag geht würdig zu Ende. Ich freue mich noch auf ein paar schöne letzte Tage in Singapur.
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