Einmal wechsle ich noch das Hostel in Hanoi, in meinem jetzigen ist nichts los. Außerdem ist auf dem Bett keinerlei Bezug. Nachdem ein anderer Gast gegangen ist, wird das Bett einfach nur neu gemacht. Wirklich wohl fühle ich mich so nicht und schlafe wieder eine Nacht in meinem Schlafsackliner. Das Frühstück ist auch nicht gut, und so hält mich hier nicht viel. Am Vortag hatte ich schon ein anderes Hostel gesucht, wo ich mein Rad unterstellen kann, und so ein Ziel. Zum Glück kann ich lange im bisherigen Hostel bleiben und muss so nur zwei Stunden totschlagen.
Erst gibt es Banh Mi, die vietnamesische Baguette-Variante zum Frühstück. Ich war bereits von meinem ersten sehr angetan, aber dieses hier ist nochmal eine deutliche Spur besser. Das Brot ist superlecker, knusprig, die Soße und Ei geschmackvoll. Ich schwebe im Brothimmel. Im neuen Hostel fange ich an meine Blog-Einträge aus China aufzuarbeiten. Ich habe alle Texte von den Tagen, an denen ich Rad gefahren bin, wie immer am selben Tag geschrieben, aber aus den großen Städten fehlen noch Texte und außerdem habe ich einen riesigen Stapel unbearbeitete Fotos. So vergeht der Tag schnell. Der übliche, nicht endende Hunger an Tagen ohne Radfahren bringt mich in ein kleines Restaurant. Eigentlich wollte ich auf Empfehlung zu einem veganen Restaurant daneben, aber die Preise sind mir zu hoch. Lustigerweise scheint das benachbarte, familiengeführte Restaurant aber ein Geheimtipp zu sein, teilweise wegen seines günstigen Biers (30 Cent), aber auch für sein gutes Essen. Die Karte gibt es auch komplett in Vegetarisch. Ich esse Tofu und gebratenen Reis. Nach der letzten Zeit in abgelegenen kleinen Städten in China und Vietnam bin ich an günstigere Preise gewöhnt, aber es ist in Ordnung. Danach schlendere ich noch etwas durch das Nachtleben. Die Stadt pulsiert und überall sind Menschen. Unangenehm sind die jungen Männer, die mir auf ihren Handys Bilder von nackten Frauen zeigen und mich zu diesen Prostituierten bringen wollen. Mit jedem Tag ärgere ich mich mehr darüber. Am Ende würde ich am liebsten die Handys nehmen und kaputt machen. Das schmierige Grinsen und Lachen bei der Präsentation der armen Frauen macht mich richtig sauer. Es werden aber auch ein paar schöne Dinge angeboten, und so gehen direkt am ersten Abend ordentlich vietnamesische Dong für Souvenirs über den Tisch.
Ich gestalte meine Tage extra mit wenig Programm. Zu müde bin ich noch von den letzten Tagen. Am zweiten Tag geht es in die „maison central“, das Gefängnis, welches die Franzosen während der Kolonialzeit für politische Gefangene gebaut haben. Es existiert nicht mehr in seiner ursprünglichen Form. Große Teile mussten für den Hanoi Tower weichen. Trotzdem ist noch eine spannende Ausstellung vorhanden, die mit einem gut gemachten Audioguide durch die Gräueltaten der Zeit führt. Am Abend gibt es noch einen Quizzabend im Hostel. Mit jedem Tag genieße ich den Aufenthalt aber irgendwie weniger, ich komme mir wie ein Außenseiter in dieser riesigen Stadt voller Menschen vor. Das war ich vorher eigentlich noch viel mehr, aber jetzt ist das Gefühl anders. Zu jedem anderen Reisenden in den letzten drei Monaten hatte man eine besondere Verbindung, bedingt durch die äußeren Umstände, die meist nicht einfach waren. Dadurch ergeben sich oft tiefgründige Gespräche mit Gehalt. Hier ist alles laut, die Musik plärrt, und über die Biergläser hinweg kommen keine für mich jedenfalls erfüllenden Konversationen zu Stande. Ich wünsche mich zurück in die Gesellschaft auf dem Pamir Highway, zurück in ein Leben, das hart, aber doch irgendwie ganz simpel war.
Am dritten Tag erledige ich viel organisatorischen Kram, schreibe E-Mails, verschicke Postkarten und lasse Passbilder für die anstehenden Grenzüberquerungen anfertigen. Endlich setze ich mich in eins der zahlreichen Cafés und trinke eine Spezialität von Hanoi, „egg cacao“ (eigentlich primär Kaffee). Ei wird cremig aufgeschäumt und danach der Kaffee oder das Kakaopulver hinzugegeben. Es schmeckt gut und da ich länger im Cafe sitze, gibt es nicht nur einen. Eigentlich wollte ich noch in Ruhe durch die Stadt laufen und viele Fotos machen, aber der Tag ist schon fast vorbei. Wirklich glücklich mit meiner Situation bin ich auch nicht, ich habe noch zwei Monate Zeit, was sehr viel ist, aber bis nach Singapur ist es auch noch ziemlich weit. Mein Plan, ein gutes Stück mit einer Fähre zu überspringen und so fünf Tage zu gewinnen, scheitert daran, dass die Fähre momentan doch nicht fährt. Ich entscheide mich, also doch nur drei Tage zu bleiben und fange an meine Sachen zu packen. Davor gönne ich mir aber noch den Luxus einer Pizza. Es gibt einen bekannten Pizzaladen in der Stadt. Sie machen dort ihren Käse frisch selber. Die Pizza ist richtig gut und steht den Italienischen dieser Reise in wenig nach. Noch besser ist aber die Käseplatte, der ich nicht wiederstehen konnte. Ich bin im siebten Käsehimmel, sehr sehr lange habe ich keinen Käse mehr gegessen. Die Laune ist besser und die Aussicht morgen wieder auf dem Rad zu sitzen, muntert mich auch auf.
Am nächsten Tag geht es dann schnell, das Rad ist gepackt und es gibt noch ein letztes Mal die leckeren, knusprigen Baguettes. Danach lasse ich mich vom immensen Verkehr aus der Stadt herausspülen. Eigentlich würde ich gerne meine Ohrenstöpsel tragen. Das permanente Gehupe ist so unglaublich laut, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass mein Gehör in Vietnam bereits ziemlich gelitten hat. Immerhin kommt der Wind stark von hinten und ich mache gute Fortschritte. So kommt es, dass ich so früh in der geplanten Stadt ankomme, dass ich noch gar nicht einchecken kann. Ich setze mich also in ein Restaurant, ich habe eh Hunger und esse eine Portion Nudeln. Danach passt es auch mit der Zeit.
Im Hostel gibt es einen Pool, aber heute ist es sehr bedeckt und grau, daher auch kalt. Ich gehe nur mit den Beinen hinein, trotzdem schön angenehm. Danach wälze ich eine Menge Karten und plane neue Routen, um Zeit zu sparen, nur um am Ende zu realisieren, dass der geplante Grenzübergang keine Visa on arrival ausstellt, ich also in Hanoi ein Visa für Laos hätte beantragen müssen. Also alles wieder zurück auf den Ursprung. Ich muss einfach schneller oder mehr Kilometer fahren. Ich glaube, langsam setzt etwas Reisemüdigkeit bei mir ein, auch da Südostasien immer ein extrem großes Ziel auf dieser Reise war, ich dieses jetzt aber nicht so genießen kann wie gedacht. Würde das große Ziel Singapur nicht immer noch am Horizont stehen, auf das ich seit über sieben Monaten zufahre, würde ich gerade am liebsten mein Rad in einen Karton packen und nach Hause fliegen. So ist es aber keine Frage. Die Route für morgen ist geplant, alle Akkus geladen und ich bereit zur Weiterfahrt.
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