Ich habe extra nicht den allerfrühsten Bus gewählt. So kann ich noch ein letztes Mal beim Franzosen einkaufen und danach entspannt zu der Haltestelle fahren. Die Haltestelle ist eigentlich nur ein kleiner staubiger Platz zwischen heruntergekommenen Gebäuden. Hier solle das Drama seinen Lauf nehmen. Eine längere Tafel mit Plastikstühlen ist aufgebaut. Ich bin der Erste und bekomme direkt kritische Blicke zugeworfen. Die ganze Nacht habe ich schon damit gerechnet, dass es alles nicht so einfach werden würde, und so soll es auch sein. Eine Verantwortliche kommt zu mir und sagt, so könne das Fahrrad nicht mitgenommen werden. Kein Problem, ich habe ja meine Plastiktüten, um es einzuwickeln. Nein, auch eingewickelt würde es nicht gehen, das Fahrrad wäre zu groß. Ich beharre auf der Vereinbarung mit dem Supervisor, aber überzeugt ist sie nicht. Ich probiere zu erklären, dass ich die Laufräder ausbauen kann bzw. eh geplant hatte, dies zu tun. Dadurch würde das Rad kleiner werden. Auch das hilft nicht. Am Ende soll ich das Rad auseinandernehmen und verpacken, und dann würde entschieden werden, ob es mitkommen kann. Nicht ganz das, was ich hören wollte, aber gut. Ich probiere möglichst schnell das Rad auseinanderzubauen, bevor anderes Gepäck verladen wird. In meiner Hektik will sich die vordere Achse nicht lösen. Ich habe sie lange nicht ausgebaut und durch das feuchte Wetter ist sie festgegammelt. Ich werfe den gesunden Menschenverstand über Bord und versuche einfach mit maximaler Kraft den Inbusschlüssel zu drehen. Ich muss in diesen Bus. Es knallt und der Schlüssel dreht sich. Glück gehabt, die Achse ist frei, denke ich jedenfalls.
Aber die Achse ist immer noch fest. Stattdessen habe ich die Aufnahme rundgedreht und damit keine Chance mehr, die Achse auszubauen. Frustriert und etwas sauer über mich und die Aufseherin, die gerade die neuen Gäste äußerst freundlich empfängt und in das Immigrationsverfahren an der Grenze einweist, überlege ich, wie ich jetzt weitermache. Alles, was übrig bleibt, ist das Hinterrad auszubauen, was durch den Gepäckträger aber bei weitem nicht so viel Platz einspart. Ich probiere es trotzdem und fange danach an, meine Tüten zu zerreißen und um das Rad zu legen. Bevor ich alles verpackt habe oder überhaupt anfangen kann, die Tüten zu verkleben, kommt der Fahrer und sagt: Wir laden das Rad jetzt in den Bus. Ich bin etwas verdutzt, aber lasse mir das nicht zweimal sagen. Kurz darauf liegt das Rad im Bus. Die Hälfte meiner Tüten ist dabei schon wieder abgefallen, naja egal, das ist nicht mehr meine Verantwortung. Ich packe noch all meine Taschen in das zweite Drittel der Mülltüten. Den Rest hebe ich mir für das erneute Verpacken nach der Grenze auf. Ich muss meinen Platz am Tisch räumen, andere müssen hier ihre Papiere für die Grenze ausfüllen. Den Service bekomme ich nicht, da mein Ticket nur bis zur Grenze geht. Ich fühle mich etwas wie ein Aussätziger, aber so lange mein Rad mitkommt, ist mir das auch egal. Irgendwann geht es los und ich bekomme immerhin wie alle anderen auch einen kleinen Snack. 
An der Grenze angekommen, wird der Bus entladen. Ich baue mein Rad zusammen, alle anderen laufen entspannt in Richtung Grenze. Ihr Gepäck wird von Trägern auf einen Wagen verladen und auf die andere Seite gebracht. Von meinen bisherigen Grenzübergängen ist diese wohl die geschäftigste. Ich lasse mein Rad an der Straße stehen, bekomme kurz Ärger, weil ich eine Schranke blockiere und gehe danach ins Gebäude. Hier muss ich länger anstehen, sehe aber immer noch andere Reisende aus dem Bus vor mir. Mir wurde gesagt, ich habe ca. 90 Minuten Zeit. Sorgen mache ich mir nicht. Nach dem Stempel an der kambodschianischen Seite geht es nach Thailand. Als Erstes muss ich auf die linke Seite der Straße wechseln, hier herrscht links Verkehr. Jetzt musste auch ich das Immigrationspapier ausfüllen, hier konnte der Rest des Busses mit ihrem „VIP Pass“ direkt durch. Es dauert aber keine 5 Minuten, und danach stehen wir alle wieder in der selben Schlange. Es dauert zwar etwas, aber anders als vom Busunternehmen prophezeit, ist es überhaupt kein Problem. Nach dem Stempel hole ich mein Rad und mache mich auf die Suche nach dem Bus. Die Reisegruppe sitzt schon am Büro des Unternehmens und isst ihr Lunchpaket. Ich habe keins, aber meine Sachen vom Franzosen schmecken umso besser. Ich hebe Thai Baht ab, bezahle mein Ticket und muss mich plötzlich beeilen, der Bus steht schon bereit. Vom Verpacken des Rads wollen sie diesmal nichts wissen, ohne Umschweife wird es direkt verladen.
Die restliche Fahrt verläuft unauffällig. Etwas befremdlich finde ich die Gratulation zur Grenzüberschreitung, die per Mikrofon im Bus durchgegeben wird. Grenzübergänge sind immer etwas Besonderes, aber eine große Leistung ist, in einer Schlange stehen und den Reisepass vorzuzeigen, dann auch nicht. Andererseits habe ich nach 8 Monaten auch einfach andere Maßstäbe.
Plötzlich in Bangkok zu stehen fühlt sich sehr surreal an, nach all der Zeit auf dem Rad, in der ich über diese großen Städte nachgedacht habe. Mein Hostel ist direkt um die Ecke, ich stelle schnell mein Rad ab und erkunde noch etwas die Umgebung. Ich bin in direkter Nähe der Khaksan Road, „der“ Party-Straße in Bangkok. Es ist laut und voll. Interessant, um es sich einmal anzusehen, dann reicht es aber auch. Viel hält mich hier nicht.
Die nächsten Tage verbringe ich ganz entspannt und erkunde ein paar der hübschen Tempel Bangkoks. Sie sind weiß mit roten Dächern und funkelnden goldenen Verzierungen überall. Im kompletten Gegensatz zu den verfallenen alten Tempeln in Kambodscha sind diese hier jünger und sehr gut erhalten. Beides hat ihren Reiz. Den Wat Arun-Tempel, welcher aus mehreren weißen Pyramiden besteht, erreicht man am besten mit einer Fähre. Wie viele Attraktionen ist es ziemlich voll, aber trotzdem sehr schön. Auf meinem Weg zurück geht die Sonne unter und das goldrote Licht erleuchtet den Horizont hinter dem Tempel und der Stadt. Ein beeindruckendes Bild.
Am letzten Abend treffe ich Fabien, einen anderen französischen Reiseradfahrer. Es ist schön, auf jemanden Gleichgesinnten zu treffen. Wir unterhalten uns lange über unsere Erfahrungen auf der Reise und vor allem über China. Anders als ich ist er komplett vom Westen bis an die Grenze nach Laos mit dem Rad gefahren. Sein 60-Tage Visum hat er mit 59 Tagen fast komplett dafür ausgereizt. Ich finde es beeindruckend, bin aber froh, mir anders als er zwischendurch noch Zeit genommen zu haben, um ein paar Städte zu erkunden. Er hat in der gesamten Zeit nur zwei Tage Pause gemacht. Besonders lustig fand ich aber seine Aussage, dass er sich mit normalen Rucksacktouristen gar nicht mehr unterhält, weil er ihre Geschichten langweilig findet. Grundsätzlich hat er Recht, aber es ist ein guter Weg, um ganz schnell zum verschrobenen und einsamen Radfahrer zu werden. Einen Kompromiss finde ich da doch eher angebracht.
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