Ich schlafe etwas unruhig diese Nacht. Es liegt weniger an der Angst, ausgeraubt oder verscheucht zu werden, sondern an dem Regen, der eine Stunde nachdem ich eingeschlafen war, einsetzte. Schon beim letzten Austreten vor dem Schlafen hatte es leicht gefiselt. Ich hatte es da aber noch auf die sehr hohe Luftfeuchtigkeit geschoben. Ich überprüfe nochmal, dass alles Wichtige im Inneren des Zelts oder gut verschlossen in den Seitenablagen ist. Trotzdem ist mir nicht so ganz wohl zumute, was auch an dem matschigen Untergrund liegt. Ich habe etwas Respekt, dass sich das Wasser irgendwie sammelt und ich Probleme bekomme. Da zeigt sich noch meine Unerfahrenheit, was das Zelten angeht. In der Realität ist es überhaupt kein Problem.
Problematisch ist hingegen am Morgen die Feuchtigkeit überall. Mein Zelt ist pitschnass und um mich herum steht der Nebel. Zu warten, dass das Zelt hier trocknet, ist keine Option. Ich würde den Platz den ganzen Tag nicht mehr verlassen. Ich fange an, zusammen zu packen. Zwischendurch meldet sich mein Magen sehr deutlich bei mir. Genau in dem Moment, wo ich, etwas vom Zelt weg, den Dingen ihren Lauf lasse, kommt die Frau vom Vorabend vorbei, perfektes Timing. Durch das ganze Wasser ist der Boden hier auch extrem durchgeweicht und klebrig lehmig. Dass ich meine ganzen Sachen eigentlich gerne schön und sauber habe, ist hier nicht möglich. Alles wird irgendwie dreckig und vom vielen Hände vom Matsch abwaschen, wird irgendwann auch mein Wasser immer weniger. Immerhin habe ich die Hoffnung, dass der Regen etwas den Staub von Tadjikistan von meinem Zelt abwäscht. Mit dem nassverpackten Zelt mache ich mich auf den Weg. Erst muss ich aber über den schmalen asphaltierten Pfad herunter zur Straße schieben, eine Herausforderung, bei der ich fast stürze. Vielleicht wäre es besser gewesen, auf dem Rad zu fahren. 
Ich muss gar nicht lange fahren, bald gibt es eine Portion Nudeln in einem kleinen Restaurant. Gestärkt und mit vollem Magen, kaufe ich noch ein paar Snacks, dann mache ich mich an die Arbeit. Als Erstes steht heute ein kleiner Pass an. Über eine ruhige Straße fahre ich bergauf durch den Nebel, es ist sehr atmosphärisch. Vielleicht hätte ich eine größere Portion Nudeln essen sollen, ich bekomme schnell wieder Hunger. Aber ich habe eine große Portion mit Miniküchlein gekauft, die sehr reichhaltig sind. So versorge ich mich schon früh. Glücklicherweise ist die Packung sehr groß. Die Straße führt nicht bis an die Spitze des Passes. Ab einer gewissen Höhe führt ein vier Kilometer langer Tunnel durch den Berg. Zum Glück ist er gut beleuchtet und es geht bergab, kein Horrortunnel wie in Tadjikistan. Im Tunnel ist es auch angenehm warm. Als ich wieder herausfahre, bin ich kurz überrascht von der Kälte in Verbindung mit meinem, von der stehenden Feuchtigkeit in der Luft, nassen Anziehsachen.
Auf dem Höhenprofil sieht es so aus, als wäre der schlimmste Teil der Tour jetzt geschafft, auf dem Tacho stehen aber immer noch 1600 Höhenmeter. Ein permanentes Auf- und Ab beginnt, immerhin sind es in der Realität deutlich weniger Höhenmeter. Ich fahre durch kleine Dörfer an der Straße, immer entlang an einem großen Fluss. Eine malerische Landschaft. Ich bin mir nur unsicher, ob mich der Nebel stört, oder ob er das Ganze aufwertet. Generell schlägt mir graues Wetter eigentlich eher immer auf die Stimmung, dass ich lange nichts zu essen bekomme, hilft dabei auch nicht wirklich. An einem vernünftigen Restaurant fahre ich vorbei. Ich mache immer erst lieber nach der Hälfte der Distanz Mittagspause. Danach sollte bis zur finalen Stadt nichts mehr kommen. Die Straße wird dafür sogar noch ruhiger, es macht eigentlich sogar wirklich Spaß. Konstant windet sich die Straße am grün schillernden Fluss entlang, teilweise durch jetzt sehr dunkle und ziemlich staubige Tunnel. Die Höhenmeter fallen, teilweise weil sie nicht vorhanden sind, teilweise durch das rollende Terrain.
Langsam merke ich aber doch die Strapazen des Tages und freue mich sehr, endlich anzukommen. Da ich das Zelt nicht trocknen konnte und ich selber auch ziemlich dreckig und nass bin, habe ich heute entschieden, in ein Hotel zu gehen. Bei umgerechnet 6,50 € keine allzu schwere Entscheidung. Circa sieben Kilometer vor der Stadt bekomme ich dann ein paar Tropfen ab. Jetzt noch ein Regenschauer wäre gar nicht gut. Aber ich habe Glück, komme ohne Regen an und das günstige Hotel nimmt mich an. Vor Corona war es teilweise sehr schwierig, in Hotels zu kommen, da diese teilweise nur Chinesen und keine Ausländer aufnehmen. Mein Pass wird ausgiebig fotografiert und an die Polizei geschickt. Danach kann ich in mein Zimmer. Später werde ich noch einmal von der Polizei angerufen, sie sprechen aber kein Englisch und so fällt das Gespräch eher kurz aus. Ich breite meine Sachen zum Trocknen aus und gehe direkt etwas essen. Erst danach dusche ich, sonst wäre ich wohl erstmal nicht mehr aufgestanden. Etwas Routenplanung und ein Nickerchen später gehe ich nochmal essen. Irgendwie müssen die Speicher ja wieder aufgefüllt werden, morgen wird ein langer Tag.

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