Unsere Zeit in Khiva wurde deutlich länger als erwartet. Der leichte Husten, der mich schon seit Bejneu plagte wurde während der Fahrt nach Khiva wieder schlimmer. Ich dachte nach dem extra Tag in Nukus wäre der Körper wieder ganz auf der Spur, außerdem wollte ich unserem Vorankommen nach Tadjikistan nicht im Weg stehen, jeder verstrichene Tag erhöht das Risiko von Wettereinbrüchen auf den hohen Regionen die wir durchfahren werden. Allerdings war es doch zu früh, ein weiterer Tag wäre wohl besser gewesen um wirklich 100% erholt zu sein.
In den ersten Tagen in Khova geht es mir gar nicht mal so schlecht, ich nutze die Zeit komme viel in der wunderschönen Altstadt herum. Überall gibt es alte Medressen, Schulen, in denen nebem dem Islam auch viele andere weltliche Wissenschaften gelehrt wurden. In Khiva lehrten viele einflussreiche Wissenschaftler, wie beispielsweise al-Chwarizmi, ein Universalgelehrter, Mathematiker, Astronom und Geograph. Er gilt als einer der Mitbegründer der Algebra (Rechnen mit Buchstaben) und nach ihm wurde auch der Begriff Algorithmus benannt. Generell war die gesamte Choresmien Region mit ihrem Oasencharakter ein Sammelpunkt für Gelehrte und Wissenschaftler, wie wir auch später noch in Bukhara und Samarkand erfahren sollten. Khiva wurde durch chinesische Mittel stark restauriert und ursprünglicher gestaltet. Alle überirdischen Stromleitungen sind verschwunden und Klimaanlagen mit Holzkästen umbaut. Die gesamte historische Infrastruktur befindet sich innerhalb der alten Stadtmauern, welche auch begangen werden können. Dadurch befinden sich fast keine Autos im Inneren, was sehr angenehm ist und für eine sehr angenehme Atmosphäre sorgt. Wurden die Touristen-Gruppen zu manchen Zeiten weniger, fühlte es sich sehr sehr ursprünglich an und es hätte mich nicht gewundert, wenn ein alter Seidenstraßen Händler auf einem Kamel an mit vorbei geritten wäre. 
Trotz der langen Zeit in Khiva, ging es mir langsam immer schlechter als besser. Wir hatten uns entschieden noch Jacks Geburtstag im Khiva zuverbringen und erst danach weiter zu fahren. Einen Kuchen konnte ich nicht auftreiben, also gab es eine Wassermelone mit Kerzen, ein Bier und ein doppeltes Snickers. Leider musste ich irgendwann einsehen, dass ich in der nächsten Zeit nicht weiterfahren kann. Inzwischen fing es an, dass ich neben dem Husten auch noch starke Kopfschmerzen bekommen habe. Also buchte ich mir einen Zug in die nächste große Stadt Bukhara. Jack würde mit dem Radfahren und ich hätte so weiter Zeit um wieder gesund zu werden. In der Nacht vor der Abreise habe ich neben sen Kopfschmerzen auch noch Durchfall bekommen, der auch am Morgen noch so schlimm war, dass ich fast meinen Zug verpasst hätte. Die Abfahrt war um 9:12, ich sollte mindestens eine halbe Stunde früher dort sein. Mein Plan war eine Dreiviertelstunde früher, am Ende saß ich erst um 9:09 im Zug. Ich hatte wieder einen Platz mit Bett gebucht, diesmal war der Zug aber zum Glück etwas leerer.
Nach kurzer Zeit höre ich ein klickendes Geräusch an mir vorbei ziehen. Es kommt mir seltsam bekannt vor. Ich schaue nach der Quelle des Geräuschs und sehe wie einer der Schaffner mein Rad durch den Gang schiebt. Bei jeder Stelle wo eine der Packtaschen oder etwas anderes hängen bleibt, benutzt er einfach rohe Gewalt um weiter zu kommen. Ich springe aus meinem Bett und laufe ihm hinterher, übernehme lieber selber das Schieben. Wir kommen an eine weitere Tür, in dem Zwischenraum zwischen den Waggons sind eine Vielzahl von Säcken, anscheinend soll mein Fahrrad hier hin. Es ist offensichtlich, dass mein Rad mit den Gepäcktaschen nicht durch die Tür passt, der Schaffner probiert es trotzdem erstmal noch mit aller Kraft hindurch zu drücken. Ich probiere ihm krampfhaft zu signalisieren, dass er bitte damit aufhören soll, ich kann auch einfach die Gepäcktaschen abnehmen. Damit scheint er auch zufrieden zu sein. Als nächstes zeigt er mir, dass ich fas Rad auf die Säcke legen oder werfen soll. Das Rad ist viel zu schwer und groß um es drauf zu legen, aber hochkannt anlehnen geht. Wirklich zufrieden bin ich nicht, aber immerhin steht es so niemandem im Weg und die Gefahr, dass jemand im genervten Modus oder aus reiner Unachtsamkeit etwas am Rad kaputt macht ist geringer. Zurück an meinem Platz bin ich umgeben von usbekischen Damen, sie bieten mir ununterbrochen Essen und Tee an. Nach meinen Magenproblemen am Morgen liegt mir jedoch nichts ferner als etwas zu essen. Irgendwann akzeptierten sie meine höfliche Ablehnung nicht mehr und ich muss ein kleines Gebäck essen. Natürlich ist es mit Fleisch gefüllt.
Der Ausstieg aus dem Zug ist noch interessanter als das Einstiegen. Mein Rad und ich befinden und genau in der Mitte zweier Waggons, die Türen hier sind aber mit Säcken versperrt. Über den Verlauf der Fahrt, sind immer mehr Leute eingestiegen und die Gänge dadurch voller geworden. Als ich mit dem bereits wieder beladenen Rad den selben Weg zurück schieben will, wie ich mit dem Schaffner gekommen bin will mich ein Mann direkt hinter der Tür in den Liegebereich des Waggons nicht durchlassen, zeigt immer nur in die andere Richtung. Diese ist aber genauso schlecht, zusätzlich müsste ich noch ein paar extra Türen auf dem Weg passieren. Irgendwann bin ich etwas genervt, die Angst dass der Zug einfach weiter fährt wird auch immer größer. Ich bin gerade fest entschlossen jetzt einfach durch den Waggon zu schieben, egal wie sehr der Mann sich weigert, als sie einen anderen Schaffner aufgetrieben haben. Dieser räumt einen Ausgang zum Gleis von den Säcken frei uns ich kann endlich aussteigen. Nach dem ganzen Stress sitze ich erstmal für eine längere Zeit am Bahnsteig, genieße die frische Luft und die Leere um mich herum. Am Ende muss mir jemand das Tor nach außen aufschließen, ich saß wohl viel zu lange auf der Bank. Bis zum Hostel sind es doch fast 15 Kilometer, auf der Fahrt zeigt mir mein Körper ziemlich deutlich, dass das gerade noch viel zu viel ist. So bin ich froh endlich im Hostel anzukommen.


Am nächsten Morgen bin ich ziemlich müde, die größte Herausforderung ist aber das salzige Porridge beim Frühstück. Den Rest des Tages verbringe ich im Bett. Eine Schweizerin vom Vorabend lädt mich zum Essen mit einer größeren Gruppe ein. Das Restaurant ist 20 Minuten entfernt und ich bin immernoch ziemlich schwach auf den Beinen. Dort esse ich zwei Nudel Suppen es tut gut etwas vernünftiges zu essen. Aber nach dem Essen fangen die Kopfschmerzen wieder an, diesmal in einer noch nicht da gewesenen Intensität. Ich will einfach nur noch zurück ins Bett. In den nächsten Tagen wird es nicht besser, der Husten ist immernoch da und mein Kopf platzt. Auch meine Augen tun weh, ich kann eigentlich nur noch im dunklen liegen und nichts tun.
Jack ist zusätzlich noch einen Tag früher da als geplant, die Umgebung ist zu dicht besiedelt und campen fast unmöglich. Starker Rückenwind hat ihn so an einem Tag ohne Probleme 200 Kilometer mit 30 km/h im Schnitt fahren lassen. Es freut mich dass er da ist, lässt mit aber so noch weniger Zeit zur Erholung.
Irgendwann entscheide ich mich ins Krankenhaus zu gehen, um mich durchchecken zu lassen, auch wenn langsam die Kopfschmerzen etwas abklingen. Ich werde gefragt, ob ich eine Krankenversicherung habe, was ich zum Glück bejaen kann. Danach verschreiben sie mir das gesamte Programm, Röntgen der Lunge, Bluttest aus Finger und Arm, sowohl wie ein Urintest. Überraschenderweise kostet mich das ganze nur 13 Euro. Nach knappen anderthalb Stunden bin ich wieder aus dem Krankenhaus heraus, der Arzt, welcher eigentlich Urologe ist, hat mir noch einen ausführlichen Zettel mit Medikamenten gegeben. Das Ergebnis war eine mittelschwere Bronchitis, die aber auf dem Weg der Besserung sei. In einer Woche sei alles vorbei. Ich gehe mit meiner Liste zur Apotheke und lege sie vor. Der Apotheker fängt an Unmengen an Packungen und Ampullen auf die Theke zu legen. Ich probiere währenddessen schnell alles zu googlen um zu verstehen was ich dort gerade bekomme. Zu meinem erschrecken stelle ich fest, dass alle Mittel gespritzt werden müssen. Das kann und will ich nicht bei mir selber machen, mir fehlt die passende Ausbildung und die Wahrscheinlichkeit, dass ich mehr Schaden anrichte als helfe ist zu groß. Dass ich nichts zum spritzen haben möchte versteht der Apotheker aber nicht, es dauert lange bis ich ihm das mit Google Übersetzer und Gebärden klar machen kann. In der Zwischenzeit hatte er schon angefangen mit beiden Händen Spritzen aus einer Schublade hinter sich auf die Theke zu schaufeln. Letztendliche verlasse ich die Apotheke etwas verwirrt mit einer Packung Tabletten gegen Entzündungen. Alleine die 5 Packungen der einen Medizin wären, 500 ml gewesen, hätte ich mir das alles gespritzt innerhalb einer Woche wäre ich wahrscheinlich ohne Schlaf bis nach Singapur durchgefahren.
Gegen Ende meines Aufenthaltes in Bukhara wird es immer besser, ich kann sogar einen Tag noch etwas die Stadt erkunden, jedenfalls solange ich regelmäßige Sitzpausen einbaue. Jack ist bereits weiter Richtung Samarkand gefahren. Ich fahre ihm im Zug hinterher. Dieses Mal ist die Fahrt kürzer, in einem neuen modernen Zug dauert sie nur eine Stunde und fünfundvierzig Minuten. Wie immer vergeht jedoch keine Zugfahrt ohne besondere Herausforderung, in diesem Zug können angeblich keine Fahrräder mitgenommen werden. Ein Schaffner plaziert mich in einem komplett anderem Wagen neben das Klo der ersten Klasse, angeblich ist dies der einzige Platz wo ich hinpassen könnte. Irgendwann fährt der Zug los, es gibt immernoch leichte Diskussionen mit inzwischen noch einem weiteren Schaffner. Angeblich müsste ich eine Strafe bezahlen, die erst das selbe wie mein Zugticket (knappe 7€), plötzlich aber fast das dreifache betragen sollte. Sehr verwunderlich und außerdem dreist, hätte ich das gewusst wären ich ausgestiegen und hätte einen anderen Zug genommen. Der Grund sei, dass das Team im Zug von den Vorgesetzten für solche Vorkommnisse bestraft werden würde und sie deshalb das Geld vom Passagier zurück holen würden. Am Ende geht das ganze aber gut aus und ich muss nichts bezahlen, die Strafe wird angeblich von der Besatzung übernommen. Irgendwann wird mir sogar ein Sitzplatz in der ersten Klasse angeboten, ich bin aber einfach froh in der Nähe meines Rads zu sein. Für die kurze Fahrzeit ist auch das Sitzen auf dem Boden in Ordnung.

In Samarkand sind wir wieder in einem Hostel, wo sich wie in Bukhara viele junge Leute und Radreisende treffen. Es gibt viele Geschichten zu erzählen und außerdem auch eine Menge zu erkunden. Samarkand ist die bisher größte Stadt in Usbekistan und hat mit sem Registan Platz auch die wahrscheinlich bekannteste Sehenswürdigkeit Usbekistans. Dort stehen drei wunderschöne Medresen in einer U-Form, ein beeindruckendes Bild. Abends gibt es Lichtshows, vorallem am ersten Tag ist diese besonders, es ist Nationalfeiertag. 
Wir nutzen die restlichen Tage für Erkundungen und um wieder komplett gesund zu werden. Samarkand hat eine Fülle an verschiedenen Sehenswürdigkeiten, von alten Moscheen, zu Medresen bis zu imposanten Grabmälern, alle in wunderbaren blau und grün Tönen. Viele Gebäude sind in der Zeit vor und während der Sovjiet Union auch durch Erdbeben ziemlich verfallen, wie beispielsweise die Bibi-Khanym Moschee. Diese wurde von Emir Temur für seine erste Frau gebaut. Emir Temur war ein bedeutender Herrscher, dessen Reich sich über das heutige Usbekistans, den Iran, bis nach Georgien, die Türkei, Aserbaidschan, Armenien, Syrien und die Türkei erstreckte. Er heiratete in die Familie Dschingis Khans ein und erreichte so die weitere Legitimation als Führer. Sein Mausoleum in Samarkand haben wir auch besucht, ein spannendes und sehr schönes Gebäude, auch wenn Teile im Laufe der Zeit verloren gegangen sind. Die Teilweise fast schon übertriebene Restauration vieler Gebäude wird von manchen Wissenschaftlern kritisiert, für mich ermöglichte sie aber eine kleine Reise zurück in die Zeit. Oft waren die Gebäude etwas schief, was ein Ausrichten der Fotos bei der Bearbeitung etwas herausfordernd machte.
Ich wusste vorher nicht viel über Usbekistan und hielt es nur für eine Zwischenstation auf dem Weg zwischen den Highlights Georgien und dem Pamir Highway. Die unglaubliche Fülle an konzentrierter Geschichte und schönen Gebäuden, in Verbindung mit der unglaublichen Gastfreundschaft der Menschen hier macht das Land für mich aber zu einem absoluten Highlight der Reise. Es ist für mich eine absolute Reise wert.
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