Die Nacht war überraschend warm. Obwohl ich nicht Mal meine warme Jacke anhatte, musste ich erst spät meinen Schlafsack zu machen. Erst gegen halb 5 packe ich mich richtig ein.
Wir schlafen aus, zu kalt wäre es früher. Annick schläft so insgesamt elf Stunden. Irgendwann hören wir, wie Jack sein Zelt abbaut, anscheinend ist es draußen im Sonnenschein wärmer als bei uns drinnen. Wir machen das Zelt leer und tragen es raus zum trocknen, am Außenzelt ist eine Menge Kondensation. Wir lassen uns alle Zeit, es gibt große Portionen Porridge, Tee und Kakao den wir für besondere Momente in Khorog gekauft hatten. In der Sonne ist es super schön und der Innenhof der Caravanserai ist schön windgeschützt. Irgendwann müssen wir aber trotzdem los, auch wird der Wind langsam immer stärker. Mein Zelt ist noch zum trocknen aufgebaut und mein Geschirr nicht gespült, da ist der Rest gefühlt schon neben seinen gepackten Rädern. Dass ich immer warten muss, bis Jack mit dem Kocher durch ist, ist in diesem Falle etwas suboptimal.
Auf der Straße geht es genauso weiter, wie es gestern aufgehört hat, unebene Wellen. Immerhin treffen wir bald auch richtigen Asphalt und hoffen so auf ein schnelles weiteres voran kommen. Unsere Hoffnungen werden enttäuscht, der Wind dreht und so sind wir noch langsamer als vorher. Außerdem wird der Himmel vor uns langsam dunker. Wir sind beunruhigt, vorallem als wir bemerken, dass es nach Schnee aussieht. Nach einer Reihe kleiner Anstiege können wir Annick hinter uns nicht mehr sehen. Da wir heute aber nicht so weit fahren müssen und sich nirgendwo ein Schutz vor dem Wind bietet, wo wir sie warten können, fahren wir lieber weiter.
Nach einer Rechtskurve kommt der Wind von hinten, zusätzlich geht es leicht bergab. Wir fliegen dahin. Trotzdem kommen die Wolken immer näher. Bald bekommen wir die ersten Tropfen bzw. Flocken ab. Ich will schnell meine Kamera wegpacken. Währenddessen geht es schon los. Panisch probieren wir noch schnell unsere Regenhosen und Jacken aus den Taschen zu kramen. Der Wind ist so stark, dass der Schnee seitwärts kommt und sich schnell an unseren Sachen aufbaut. Gleichzeitig wird es richtig kalt. Natürlich bekomme ich meine Schuhkonstruktion auf der Packtasche nicht richtig fest.
Als wir endlich losfahren, fahren wir jedoch mit dem Wind und schlagartig ist es nicht mehr so kalt. Der Wind schiebt uns durch den Sturm und der Windchill Effekt bleibt komplett aus. Wir denken nur an Annick, die ein Stück hinter uns war und hoffen, dass sie inzwischen so weit ist, dass sie keinen Gegenwind hat. Zum Glück zieht der Schnee durch den starken Wind so schnell weiter wie er gekommen ist. Rasch klart es wieder auf.
In der Ferne sehen wir davon das Blau des Karakul See. Es geht lange leicht bergab auf einer schnurgeraden Straße. Wir machen ein paar Bilder und trödeln, trotzdem können wir Annick nicht sehen. In Karakul, einem kleinen Dorf und der letzten Siedlung im Tadjikistan vor der Grebze angekommen, suchen wir ein Gasthaus. Es ist zu kalt zum campen und die Aussicht auf ein warmes Abendessen und einen warmen Raum mit einem Bett ist sehr verlockend. Ein Bett bekommen wir nicht, dafür einen Raum mit Ofen, der uns ziemlich einräuchert. Wir sind etwas besorgt, weil wir keinen Abzug für den Rauch sehen, aber dieser ist einfach im anderen Zimmer. Das Klo ist interessant, über die übliche Plumpsklo Grube, wurde eine kleine Konstruktion aus Pressspanholz gebaut, auf die ein kleiner Plastik Klositz geschraubt wurde. Höher als in der üblichen Hocke sitzt man hier nicht, aber immerhin muss man nicht hocken. Inzwischen bin ich flexibel genug um besser zu hocken, aber angenehm ist es immernoch nicht.
Da es noch früh am Tag ist, gehen Jack und ich auf die Suche nach einem Minimarkt für etwas zu Essen. Alle zeigen uns zu einem Haus, die spielenden Kinder davor sagen uns aber der Laden ist zu. Es kommt uns schon etwas seltsam vor, die Kinder haben nicht die besten Manieren. Eines will erst mit meiner Kamera Fotos machen. Als ich das verneine, will es dass ich die Kappe von meinem Objektiv ab mache, nur um dann zu versuchen mit den Fingern auf der Linse herum zu drücken. Wir gehen noch zu einem anderen Gasthaus, welches angeblich ein Restaurant hat, aber auch hier sind wir nicht erfolgreich. Der Besitzer kommt dafür mit uns mit und sorgt dafür, dass der Laden von den Kindern geöffnet wird. Außer Keksen und sehr kleinen Chips Tüten gibt es nichts, wir stellen uns auf ein weiteres Snack Mittagessen ein.
Langsam machen wir uns Sorgen, weil wir Annick bisher immernoch nicht gesehen haben. Zum Glück sitzt sie dann aber bei uns im Zimmer. Sie wirkt ziemlich desorientiert und hat Wortfindungsschwierigkeiten, der Tag muss ihr einiges abverlangt haben. Die Sorgen, dass sie es nicht geschafft hat, werden durch Sorgen um ihren körperlichen Zustand ersetzt. Ich gebe ihr die Hälfte meiner Snacks ab, auf dem Tisch steht bereits Tee, Brot und die seltsamste Marmelade die ich je gesehen habe. Die Chips, welche normalerweise Begeisterung in ihr auslösen, sind nichtmal ein Lächeln wert. Das war der Moment wo ich wirklich besorgt war. 
Über den Laufe des Nachmittags gab es eine Menge Tee mit noch mehr Zucker, am Abend Nachschlag für die Nudeln. Langsam ging es ihr wieder besser. Kollektiv wurde auf eine Dusche verzichtet. Die einzige Möglichkeit dafür wäre ein Eimer mit vielleicht warmen Wasser draußen im Wind und den bitterkalten Temperaturen gewesen. So bleiben wir alle lieber ungewaschen. Durch die Kälte haben wir eh nicht wirklich geschwitzt.
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