Ich schlafe das zweite Mal in einem Hotel und wieder in meinem eigenen Schlafsackliner. Auch hier gibt es keine Bezüge für die Bettwäsche und die Zahl der bisherigen Besucher in der gleichen Bettwäsche ohne richtige Wäsche wird sehr hoch sein. Ich freue mich auf ein sauberes Hostel mit guter Gesellschaft in Hanoi, unwissend, dass dies auch heute Nacht wieder nicht eintreten wird.
Direkt neben dem Hotel ist ein „Frühstücksrestaurant“, eine Nudelsuppe später bin ich eigentlich gestärkt, nehme beim Bäcker aber noch zwei große Donuts mit. Noch bevor ich auf dem Rad sitze, ist einer verschwunden und direkt nach der Abfahrt auch der zweite. Ich bin von gestern doch noch ziemlich leer und der Hunger entsprechend groß. Aber der Wind kommt wieder von hinten und die Sonne ist warm. Alles ist bereitet für einen guten Tag auf dem Rad.
Es ist spürbar, dass ich der richtigen Zivilisation näher komme. Alles wird enger besiedelt und wenn nicht gerade kleine Felder am Straßenrand sind, stehen dort Häuser. Interessant ist die generelle Tendenz hier, dass alle Häuser sehr schmal, dafür lang und ziemlich hoch sind. Selbst auf dem Land, wo massig Platz wäre, haben die Häuser mehrere Etagen, sind aber nur einen Raum breit. Die Zeit vergeht schnell, ich suche noch nach etwas Essen zum Mittag, es gibt eine Nudelsuppe. Der Geschmack ist ganz anders als in China und es ist sehr interessant, dass neuerdings immer gefragt wird, ob ich ein Paket Instantnudeln oder frische Reisnudeln haben möchte.
So geht es auf die letzten Meter nach Hanoi. Anders als China ist der Verkehr hier nicht mehr so geregelt. Alles ist etwas durcheinander und man muss wirklich aufpassen. Die Zahl der Mopeds scheint nochmal zugenommen zu haben, dafür gibt es weniger Autos. Die Straßen sind aber auch deutlich schmaler. Ich nähere mich dem Zentrum der Stadt und langsam nimmt die Zahl der Touristen immer weiter zu. Ein eigentlich normales Bild, für mich aber total ungewohnt. So viele Europäer habe ich in den letzten drei Monaten nicht mehr gesehen, in allen Ländern in Zentralasien und vor allem China waren wir doch die absolute Ausnahme. Jetzt sind die Straßen plötzlich bevölkert von blonden Haaren und großen Männern. Es ist vertraut, aber auch etwas seltsam. Auf der einen Seite bin ich ja definitiv ein Teil des Ganzen, irgendwie kann ich mich aber auch nicht so ganz damit identifizieren. Es gibt nicht den richtigen Weg des Reisens, aber die Art der Fortbewegung und Wahl der Orte sorgte doch dafür, dass ich stets die gleiche Art Menschen, die auch mir sehr ähnlich waren, getroffen habe. Jetzt ist wieder eine große Varianz vorhanden. Unabhängig davon fange ich die letzten Tage etwas an, das simple Leben auf dem Pamir-Highway zu vermissen. Es war körperlich nicht einfach, aber viele Fragen haben sich nie gestellt. Die Wertschätzung für simple Dinge wie eine Toilette, einen nicht ganz so kalten Raum und einen Tee waren so groß. Außerdem die Freundschaft und Kameradschaft, die ich in dieser Intensität noch nie erlebt habe und vielleicht auch nie wieder erleben werde, geboren aus dem Extrem der äußeren Umstände. Vieles macht alleine nicht so viel Spaß. Meine Fahrzeiten werden immer länger, zum einen, um schneller voranzukommen, zum anderen, da auf dem Rad die Einsamkeit weniger intensiv ist.
Zurück in die Hanoier Innenstadt: Am Morgen hatte ich mich noch länger nach einem Hostel umgesehen. Die Auswahl ist riesig und ich suche nach einem Mittelweg aus Sauberkeit, Preis und guter Gesellschaft. Ich glaube fündig geworden zu sein. Bei Ankunft fällt aber auf, ich habe einen Fehler gemacht und erst für die nächste Nacht gebucht. Das Hostel ist jetzt voll. Ich muss mich also woanders umsehen. Bei Nachfrage kommt heraus, ich könnte das Rad ohnehin nicht mit hineinnehmen, sondern solle es draußen oder ein Stück weiter an einer Kirche anschließen. Nichts liegt mir ferner, also geht es weiter. Beim nächsten Hostel das gleiche Bild. Diesmal wäre ein Bett frei, aber das Rad müsste draußen bleiben. Ebenso bei einem weiteren Hostel. Die Stadt ist einfach super eng und schmal. Platz ist wenig vorhanden. Wenigstens beim zweiten und dritten Hostel hätte es aber Lösungen gewesen. Der Vorschlag eines externen Parkplatzes ein paar Ecken weiter gefällt mir ebenfalls überhaupt nicht. Beim vierten Hostel habe ich Glück, es gibt eine Garage/Kellerraum, wo ich mein Rad abstellen kann. Das Hostel wirkt aber mehr wie ein Hotel, es ist nichts los und ich sehe keine anderen Gäste. Das Gefühl des Außenseiterseins kommt so noch etwas stärker durch. Außerdem hat das Bett ebenfalls keinen Bezug. Nach etwas Durchatmen und einer Dusche mache ich mich auf den Weg, die Umgebung zu erkunden und bei ein paar anderen Hostels nachzufragen. Beim Zweiten habe ich dann Erfolg. Das Rad könnte im Raucherraum abgestellt werden, ich solle es nur sehr gut abschließen. Das reicht mir, das Hostel ist besser besucht mit jungen Leuten und ich bin zufrieden. Trotzdem freue ich mich jetzt erstmal auf eine ruhige Nacht in meinem jetzigen Hostel. Nach dem Abendessen laufe ich noch etwas herum, es ist unglaublich voll. Man wird fast etwas klaustrophobisch. Es gibt sogar eine Art Nachtbasar mit vielen kleinen Sachen. Besonders gut gefällt mir aber ein Laden mit alten Propagandaplakaten. Ich kaufe mir zwei kleine Prints. Wenn ich wieder zu Hause bin, kann ich eine kleine Galerie mit gekauften Bildern und eigenen Fotos an einer Wand aufmachen. Danach geht es ins verdiente Bett.
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