Ich stehe früh auf, ziehe direkt die Radsachen an und dann geht es los. Ich muss die Besitzerin des Hotels bei ihrem Sportprogramm unterbechen, fast hätte ich vergessen zu bezahlen. Glücklicherweise habe ich in der Nacht nicht mehr viel von der Karaoke mitbekommen.
Ich begebe mich auf die Suche nach Frühstück. Mein übliches Vorgehen aus China ist nicht mehr so ganz anwendbar, jedenfalls hier in der kleinen Stadt gibt es wenig bis kein Streetfood und auch die Restaurants sehen ganz anders aus. Außerdem gibt es nirgendwo Menükarten oder Bilder, was das Bestellen auch nicht einfacher macht. Ich frage einfach nach Nudeln und Tofu. Direkt beim ersten Restaurant werde ich fündig. Auf zwei Tellern gibt es einen Block Reisnudeln und eine ordentliche Portion Tofu. Dazwischen wird eine Schüssel mit Suppe oder Soße gestellt. Die Nudeln schütte ich komplett hinein und esse den Tofu dazu. Außerdem gibt es eine Schüssel mit Salat auf jedem Tisch, aus der man sich nehmen kann, was man will. Der Geschmack der Suppe ist erst etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. Gut gefüllt geht es los.
Bei der Abfahrt ist es noch ziemlich grau und frisch. Ich ziehe über mein langärmliges Tshirt meine Windweste und Windjacke an. Aber es klart schnell auf und ich kann mich den Schichten entledigen. Der Tag hat nicht viele Höhenmeter, aber eine ordentliche Rampe erwartet mich, immerhin ist sie nur knapp anderthalb Kilometer lang. Danach habe ich auch alle Schichten aus und das Shirt hochgekrempelt. Nach der Abfahrt gibt es ordentlich Sonnencreme, die Sonne ist ziemlich stark. Die erst von Nebel umgebenen und bewaldeten Berggipfel sind jetzt frei. Über Straßen und auch matschige kleine Wege geht es mit Rückenwind immer weiter in Richtung Hanoi. Ich habe durch den kurzen Tag gestern noch circa 240 Kilometer bis dort hin. Optimalerweise schaffe ich die Distanz in zwei Tagen und gewinne so wieder etwas Zeit. Für heute habe ich mir 145 Kilometer vorgenommen. So wäre der Tag morgen etwas entspannter, wenn ich auch nach Hanoi hineinfahren muss. Ich habe Glück, der Wind ist auf meiner Seite und ich fliege dahin. Nach all den harten, bergigen und teilweise grauen Tagen in China, bei denen der Wind stets gegen mich stand, ist es jetzt ein Traum. Ich will gar nicht vom Rad steigen und da ich noch gut mit Snacks ausgestattet bin, fahre ich lange ohne nennenswerte Pausen durch. Eigentlich wollte ich unterwegs wieder ein leckeres Baguette mit Ei drin essen. Leider finde ich keins und so halte ich erst nach 93 Kilometern für Nudeln mit Tofu. Auch diese sind wieder sehr lecker.
Ich hatte mir die Möglichkeit offen gelassen, schon bei 118 Kilometern zu stoppen, aber es läuft zu gut. Bei 130 Kilometern mache ich doch noch einen Supermarktstopp: Es gibt Eis, Cola und eine ganze Packung mächtiger Bananenkuchen, die ich eigentlich als Wegzehrung gekauft hatte. Aber ich war doch etwas angeschlagen. Danach läuft es wieder gut und ich komme gar nicht so spät am Ziel an. Die Auswahl der Hotels ist im Moment nicht so einfach, anders als in China sind viele nicht in Apps zu finden, und so endet es in einem Glücksspiel. Nach über sieben Stunden auf dem Rad ist das Verlangen, herumzufahren und die optimale Unterkunft zu suchen nicht so groß. Ich entscheide mich für das erste im Zentrum, was ich finden kann, probiere wenig erfolgreich zu handeln und beziehe mein Zimmer. Auch diese Nacht werde ich wohl lieber in meinem Liner schlafen.
Zum Abendessen lande ich in eigentlich einem hippen Laden, aber die Nudelsuppe ist schlecht. Die vietnamesische Küche bietet viel mehr als das. Es gibt einen Donut zum Nachtisch und danach als gesunden Abschluss einen Apfel für das Gewissen.
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