Mein Hals hat sich über Nacht nicht gebessert. Im Gegenteil, er fühlt sich eher noch schlechter an als vorher. Ich entscheide mich trotzdem mit den anderen los zu fahren, will die Gesellschaft, die ich so sehr schätze, nicht schon wieder aufgeben müssen. Trotzdem nehme ich mir vor grundsätzlich mein eigenes Tempo zu fahren.
Für abenteuerliche Umwege die der Routenplaner einbaut, hat sich bei uns inzwischen der Name Komoot special etabliert. Der Tag heute beginnt direkt mit solch einem. Ein paar große Pfützen müssen passiert werden und der gesamte Weg ist sehr beschwerlich. Zum Glück ist es jedoch weit entfernt von der vorgestrigen Routengestaltung.
Das Wetter ist eine Mischung aus warm und kalt, es fühlt sich etwas seltsam an. Das kann aber auch an meinem körperlichen Zustand liegen. Wir fahren weiter, am ersten Anstieg des Tages, über sieben Kilometer ist er lang, lasse ich den Rest ziehen. Wir treffen uns am Ende des Anstieges wieder. Zwischendrin fängt es richtig an zu regnen. Ich bin klitschnass, alles fühlt sich mies an. Immer wieder fahren auch Viehtransporter vorbei, das Spritzwasser riecht nach Mist. Trotzdem fasziniert mich die Umgebung. Ich fahre durch eine bewaldete Berglandschaft. Es fühlt sich an wie ein Urwald, Nebelschwaden hängen tief.
Zum Glück kommt bald die Sonne wieder heraus. Es wird direkt richtig heiß, man kann sehen wie das Wasser aus der Kleidung verdampft. Am Gipfel treffen wir uns und fahren gemeinsam weiter. Es dauert keine Minute, schon fängt es wieder an zu regnen. Da wir jetzt 14 Kilometer Abfahrt vor uns haben entschließe ich mich auch die Regenhose anzuziehen. Als ich damit fertig bin ist der Regen natürlich wieder vorbei. Die extra Wärme nehme ich jedoch trotzdem gerne mit.
Unsere Mittagspause verbringen wir in einer Bar/Café. Etwas zu sehr auf schick gemacht wirkt es etwas prollig. Uns ist das egal, es gibt Essen und Trinken. Nur die laute Latino Musik die aus den Lautsprechern dröhnt ist etwas anstrengend, kurze Pausen bieten nur zwischendurch die Werbepausen für Spotify Premium. An einem freien Tisch trockne ich diverse Kleidungsstücke, während ich den zweiten Teller Risotto verspeise.
Irgendwann müssen wir aber trotzdem weiter. Basil und Jack nehmen eine Mountainbike Route, ich will mich so viel schonen wie es geht und fahre daher auf der Straße. Später treffen wir uns in einem Café wieder. Kurz nachdem wir uns aufgeteilt haben, geht der Regen in bisher unerreichter Intensität los. Natürlich beginnt auch hier der Nächste fast vier Kilometer lange Anstieg. Das Wasser fließt in Strömen die Straße herunter. Vorbei fahrende Autos spritzen mich noch zusätzlich nass. Einen Unterschied macht das aber eigentlich auch nicht mehr. Zwischendurch bietet ein Autofahrer an mich mitzunehmen, ich fahre lieber weiter. Jetzt anzuhalten ist keine Option, auch nass irgendwo auszusteigen würde nur zum direkten Frieren führen. Solange ich mich bewege ist mir halbwegs warm. Irgendwann bin ich oben, stelle mich unter einer Brücke unter und hole weiter Regenkleidung aus meiner Tasche, die ich so wenigstens öffnen kann ohne den gesamten Inhalt nass zu machen. Das erste Mal kommen die Neopren Handschuhe zum Einsatz. Eine Abfahrt wie diese habe ich noch nie erlebt. Es ist steil, teilweise sieht man nur noch Wasser, keine Straße. Obwohl ich bremse bin ich schnell, die dicken Tropfen stechen im Gesicht. Wenigstens sind hier kaum Autos unterwegs.
Auch nachdem der Regen aufgehört hat ist meine Entscheidung klar, ich brauche nach diesem Tag eine warme Dusche und ein Bett. Würde ich jetzt campen wäre ich morgen definitiv krank. Als ich am Treffpunkt ankomme ist meine Stimme auch komplett weg. Das bestärkt mich nur umso mehr in meiner Entscheidung. Der Rest geht Zelten, ich checke währenddessen in einem sehr fragwürdigen Hotel ein, aber mir ist alles egal, ich will nur noch schlafen. Nach der Dusche geht es mir besser. Ich liege im Bett höre draußen wieder Regen und habe Mitleid mit meinen Kollegen. Ich bin gespannt was sie Morgen von der Nacht erzählen. Für mich war es Heute einer der härtesten Tage der ganzen Reise. Auch die Angst die neugewonnen Freunde jetzt wieder durch Krankheit zu verlieren belastet mich.
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